Die Netflixuser im RefLab planen einer Superhelden-Serie. Alle freuen sich darauf. Die Superhelden aus dem Comic- und Serienuniversum durchleuchten und die Storys auf theologische Anschlussfähigkeit hin abklopfen. Das ist die Grundidee. Ein Kollege, Thorsten Dietz, hat das einschlägige Buch «Gott in Game of Thrones» verfasst und ist mit an Bord.
«Gods & Superheroes» soll die Serie heissen. Wie aber lässt sich eine Superheldenserie des RefLab bebildern? Wir übermitteln dem Grafiker, dass die Illustration Marker für Superhelden und Religion verbinden solle. Dieser erschafft prompt einen Jesussuperhelden am aerodynamischen Kreuz mit Sixpack und Heiligenschein.
Superhelden sind nun mal männlich
«Ist sensationell gelungen», «Wie stark!» – melden Kollegen postwendend zurück. Eine Kollegin dagegen findet: «Die Zeichnung ist toll, aber ist einfach wieder der white mighty ripped Jesus».
Es sei doch total ironisch, den Superhelden-Jesus aus der frommen amerikanischen evangelikalen Populärkultur für eine RefLab-Serie «Gods & Superheroes» zu casten, wendet ein Kollege ein. Die Kollegin sieht jetzt erst recht die Symbolik von White Saviorism.
Was wird bei der muskulösen Darstellung des Superman-Jesus eigentlich gekreuzigt? Potente Männlichkeit? Vielleicht doch lieber eine gekreuzigte Heldin, eine Jesine?
Der schüchterne Argumentationsversuch unserer sichtlich enttäuschten Serienliebhaber: Superhelden seien nun mal überwiegend männlich, überzeugt ebenso wenig wie: Wenn es möglich sei, eine Serie «Frauen der Bibel» zu machen, mit ausschliesslich weiblichen Autoren, müsse doch auch eine Superheldenserie drin sein, an der halt vor allem Männer mitschreiben.
Wie haltet ihr es mit der Wokeness?
Bei den Briefen an «Frauen der Bibel» haben wir es aber gerade nicht mit Superheldinnen zu tun. Viele der biblischen Frauen haben passive Rollen. Wenn geredet wird, dann über sie, von ihren Männern oder von Engeln. Deswegen fanden wir es spannend, Sara oder Rizpa zu schreiben und sie selber zu fragen.
Bei der RefLab-Serie «Frauen der Bibel» haben wir uns von afrofeministischen und womanistischen Bibeldeutungen leiten lassen, die unterschiedliche Handlungsfähigkeiten und Diskriminierungen aufdecken; von der Idee auch der «Sacred Imagination», also dem inspirierten Weiterdenken und -schreiben. Eine zweite Staffel ist für 2023 geplant.
Freilich könnte man hier einwenden, ob es o.k. ist, als bislang ausschliesslich weisse und europäische Autorinnen an afrofeministische, womanistische Ansätze anzuknüpfen. Reicht es wirklich aus, im Abspann auf Vorbild und Inspiriationsquelle hinzuweisen, wie wir es getan haben?
Wir merken, dass sich eine Reihe von Grundsatzfragen auftut: Wie viel Sensibilität in Sprache und Bild ist notwendig, um Minderheiten und diskriminierten Gruppen gerecht zu werden? Wie viel Freiraum bleibt für Kreativität? Lassen sich Stereotype vermeiden? Wo beginnt kulturelle Aneignung? Und bleibt Raum für Scherz, Satire & Ironie, selbst wenn nur einige die Ironie verstehen? Oder kurz gefasst: Wie halten wir es mit der Wokeness?
Illustration: Rodja Galli
1 Gedanke zu „Woke me up (1): F* White Saviorism“
Ich glaube die Mischung macht’s. Wir (da nehme ich mich und alle die dazugehören) beschreiben und sehen die Welt aus einer weißen, privilegierten, westlichen und bei mir noch männlichen Sicht aus. Das ist erst einmal Ausgangspunkt und kann nicht geändert werden. Doch sehe ich es als wichtig die eigene Sicht zu hinterfragen und andere gesellschaftliche Gruppen zu Wort kommen lasse. Ich kann ein Stück weit für sie mitdenken, aber die Sicht einer anderen Gruppe kann am Besten jemand aus der Gruppe selbst darstellen. Also auf zum Dialog um die eigene Sicjt zu bereichern und zu sensibilisieren.