Zuerst war da der Wind, und dann kamen die Wellen. Keine Welle ohne den Wind, der das Meer aufwühlt. Wirklich ruhig ist es nie, immer ist es in Bewegung. Immer sind wir in Versuchung.
Schuld ist eine Welle, ein Wind, ein Sturm, ein Brausen. Selten eine Stille.
Mal ist es ein leichtes kontinuierliches schwippen und schwappen, mit ein bisschen wisch und wusch. Mal tost und braust es, während der Wind über die Schaumkämme fährt und Wasser zu Wind und Wind zu Wasser wird. Bis die Schuld immer grösser, die Wellen immer halsbrecherischer wurden. Bis sie mir meinen Hals brachen. Und ich zusammenbrach vor lauter Schuld, die als Welle über mir brach.
Schuld ist stürmisch. Oder sie fühlt sich stürmisch an. Sie bringt alles ins Ungleichgewicht, macht uns wackelig, faserig, unsicher. Wie ein Papierschiff im Meer, wie ein Fähnchen im Sturm.
Der Sturm hört nicht auf
Der Sturm ist zu laut, die Schuld macht mich stumm. Ich höre mich selbst noch kaum ein Wort flüstern. Ich habe auch nichts mehr zu sagen, so wie ich ums Überleben ringe. Nicht an meiner Schuld zu Grunde schwimme. Mir meine Schuld vergeben scheint mir fast vergeblich. Ist doch viel einfacher mir nicht einzugestehen, der Sturm sei ein externes Problem, mit dem ich nichts zu schaffen habe. Habe ich nur genügend Atem, er wird gewiss von selbst vergehen. Wohl kaum.
Ich kann mich zwar verstecken, aber der Sturm ist in mir, er hört nicht irgendwann auf mich zu verunsichern. Ich kann mich nicht dauerhaft verstecken, in der Hoffnung es wird irgendwann ruhiger. Je länger ich mich verstecke, desto wilder wird das Meer und der Sturm in mir. Bis die Welle über mir bricht.
Zuerst war da der Wind, und dann kamen die Wellen. Keine Welle ohne den Wind, der das Meer aufwühlt. Wirklich ruhig ist es nie, immer ist es in Bewegung. Immer sind wir in Versuchung.
Vergebung ist Bewegung
Ich habe den Sturm gesät, der nun über mich hinwegzieht. Kämpfe ich gegen den Sturm gegen an, ist das, über kurz oder lang, mein Untergang. Ich muss mitschwingen, damit Vergebung gelingen kann. Um stabil zu bleiben, fange ich zu schwingen an.
Wie das Papierschiff im Meer, wie die Wolkenkratzer im Sturm. Nicht übermannen lassen, sondern mit der Bewegung mitgehen. Sonst reisst es uns auseinander.
Vergebung ist Bewegung. Und zwar auf jemanden zu. Auf ein Wir oder ein Du. Manchmal auch auf mich- in der Hoffnung du gehst auch immer wieder auf mich, auf uns zu.
Weitere Gedanken zu Schuld und Vergebung, lest ihr in Evelynes Beitrag zur sechsten «Unser Vater»-Bitte: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Diese Meditation könnt ihr auch am Ende ihres Podcasts Unter freiem Himmel hören!
Foto @unsplash: Ruslan Valeev