Auf deutsch: ein dummer Spaziergang für meine dumme mentale Gesundheit.
Mein Wort des Jahres, weil ich genau das (fast) jeden Tag in diesem Jahr gemacht habe: Einen stupidwalkformystupidmentalhealth. Mindestens 20 Minuten raus an die frische Luft. Meistens war ich im Wald, manchmal an der Elbe, ab und an mit kleinen Insta Videos dazu, manchmal mit Musik auf den Ohren, immer mal wieder mit Ausflüchten ins Unterholz oder auf Baumstämme kletternd.
Irgendwann im Herbst des letzten Jahres, draussen wurde das Laub schon nicht mehr weggefegt und an 6 von 7 Tagen die Woche würde man das Wetter als «ungemütlich» bezeichnen. Zumindest in Hamburg, wo ich zu dem Zeitpunkt gelebt habe. Es ist Morgen, ein freundliches grau in grau. Die Leere im Vorratsschrank springt mich an. Ich muss einkaufen gehen. Lediglich eine halbvolle Weinflasche, die üblichen Saucen in der Tür und ein bisschen Joghurt drücken sich noch in meinem Kühlschrank herum. Ich stocke –
Wann war ich das letzte Mal draussen?
Also so richtig. Keine Ahnung. Zum Arbeitszimmer muss ich nicht vor die Tür, Termine mit Menschen finden auch in Räumen statt, die von meinem Wohnzimmer fussläufig (15m) zu erreichen sind. Wann ich das letzte Mal ausserhalb meines kleinen Kosmos war – keine Ahnung.
Der hashtag #stupidwalkformystupidmentalhealth ging bereits Anfang des Jahres auf TikTok viral. Die Menschen haben sich dabei gefilmt, wie sie mit grimmigen Mienen spazieren gegangen sind. Ein TikTok Trend der auch zum Ausdruck bringt, wie die Gesellschaft auf Tabuthemen wie psychische Gesundheit reagiert. Nämlich ironisch gebrochen. Immer mit einem kleinen Augenzwinkern.
Wenn ich meinen stupidmentalhealthwalk ernst nähme, würde ich mir eingestehen, wie es mir wirklich geht. Nämlich so, dass ich raus gehe, in der Hoffnung, mir ginge es dadurch besser. Innere Unruhe ist ungeil. Angst ist ungeil. Und nach gefühlt 5 Tagen feststellen, dass ich nicht mehr weiss, wann ich das letzte Mal vor der Tür war, ist mindestens genauso ungeil.
Stupidmentalhealthwalk bedeutet Zeit einräumen für das Aussen.
Für den Moment, in dem ich mich nicht in To-do Listen in meinem Kopf verliere oder schon wieder beim nächsten Termin bin, den ich im Anschluss wahrnehmen muss. Mich nicht vorbereiten auf das unangenehme Gespräch, das mir bevorsteht, sondern den Fokus zu verändern. Nach Aussen.
Durch Spaziergänge, das Waldbaden, Lustwandeln, Promenieren in der Natur schüttet der Körper nachweislich Glückshormone aus. Die Verbindung von Natur und Bewegung beruhigt das Nervensystem.
Also: Atmen.
Bäume angucken. Blätter beim Fallen beobachten. Frische Luft. Einatmen. Meine Schritte machen Geräusche auf dem noch nachtfeuchten Waldboden. Die Vögel erzählen mir von sich. Der Wind huscht aufgeregt zwischen den Bäumen umher. Es riecht nach Herbst. Die Luft ist feucht. Die Nase wird kalt. Ausatmen. Mein Atem wird in der Waldluft sichtbar. Das Unterholz riecht modrig. Und wieder Atmen. Schritt für Schritt. Raus aus dem eigenen Kopf. Körper spüren. Atmen. Gehen.
Meine Oma hat früher oft zu mir gesagt: Geh dich mal ausstinken.
Meistens wenn ich unruhig war, oder nicht wusste wohin mit mir. Irgendwie trifft es das ziemlich gut. Einen stupidmentalhealthwalk machen. Sich ausstinken. Die ganzen negativen Gedanken, den Stress und die laute Welt kurz ironisch und anstrengend und zu viel sein lassen.
Und raus gehen. In den Wald oder ans Wasser. Vielleicht mal ins Unterholz oder mit Musik auf den Ohren. Oder vielleicht mal wieder auf einen Baumstamm klettern, wenn unklar ist, wann man das das letzte Mal getan hat.
Foto: George Kedenburg III, unsplash