Der originale Prompt für das Bild lautet: «creator of heaven and earth, ultrarealistic, fine details, true-to-life colors, and high-resolution textures to create a highly realistic representation, capturing the essence of a live-action photograph –s 400 –c 5 –ar 16:9»
Ich darf vorstellen: Der Weltenschöpfer!
So, das ist er jetzt: der Schöpfer von Himmel und Erde! Oder zumindest stellt ihn sich die KI so vor.
Ich hab dem digitalen Bildgenerator «midjourney» nämlich den Auftrag gegeben, mir ein möglichst fotorealistisches Bild des «creator of heaven and earth» zu erstellen.
Das Ergebnis hat mich dann doch erstaunt.
Ja, natürlich ist mir aufgefallen, dass es sich um einen alten weissen Mann handelt. Das hängt wohl mit dem Datenmaterial zusammen, das der KI zum Stichwort «Schöpfer» zur Verfügung steht.
Ich muss allerdings gleich anfügen, dass ich dieses Bild aus vier Vorschlägen der KI ausgewählt habe, und unter den Alternativen war der Weltenschöpfer auch als schwarzer Mann und als kleiner Junge dargestellt. Zur gendersensiblen Ehrenrettung der KI darf ich ausserdem klarstellen, dass mir das Programm auf den Wunsch nach Bildern von «Gott» hin konsequent weibliche Göttinnen präsentiert hat: So klar ist die Zuordnung Gottes zum männlichen Geschlecht also auch für die KI nicht.
Ein Obdachloser?
Jetzt hab ich das Bild aber nicht ausgewählt, weil es sich um eine Figur gleichen Geschlechts und gleicher Hautfarbe handelt. Vielmehr war ich fasziniert von der erdigen Rauheit dieser Darstellung.
Ein menschliches Gesicht in Detailaufnahme – aber keine erhabene, leuchtende, vollkommene Erscheinung, kein Prachtmensch, kein Übermensch. Im Gegenteil:
Eine abgekämpfte Figur schaut uns hier mit eindringlichem, aber auch müdem Blick unmittelbar an. Furchige, ledrige Haut, graue, zerzauste Haare, eine leicht gerötete Nase mitten im Bild.
Das ist kein «Silver Fox», eher ein Obdachloser.
Und dann diese dunklen Dreckspritzer im Gesicht. So jemanden würde man nicht ins eigene Auto steigen lassen, wenn er als Anhalter um Mitfahrgelegenheit suchte – weil schlecht für die Ledersitze…
Eine insgesamt skurrile Figur also, die mir die Künstliche Intelligenz da geschaffen hat. Das soll der Schöpfer von Himmel und Erde sein?
Schmutzige Hände
So daneben ist die Darstellung bei weiterem Nachdenken allerdings nicht. Besonders der zweite Schöpfungsbericht in Genesis 2 beschreibt uns einen Gott, der diese Welt nicht aus sicherer Distanz ins Leben ruft.
Wir begegnen ihm vielmehr überraschend bodenständig, als Töpfer, der sich in den Schlamm der Erde kniet, um daraus den Menschen zu formen.
Das ist noch richtiges Handwerk, das ist ein Gott, der sich die Hände schmutzig macht, um ein Geschöpf nach seinem Ebenbild hervorzubringen.
Der biblische Schöpfergott schreckt demnach nicht vor körperlicher Arbeit und Schlammspritzern zurück. Er delegiert die Erschaffung des Menschen nicht an seine himmlische Gefolgschaft, sondern legt selbst Hand an.
Und man spürt bei der Erzählung des Genesisbuches, wie intim diese Szene vorgestellt wurde: Der lebendige Gott stellt den schlammgeformten Menschen vor sich, blickt ihn auf Augenhöhe an und bläst ihm den Lebensatem ins Gesicht.
Auf Augenhöhe
Die eigentümliche Vorstellung der KI erweist sich theologisch als überraschend anschlussfähig. Und das gilt über die Schöpfungsszene hinaus: Der in den biblischen Büchern gezeichnete Gott kann es nicht lassen, sich zum Menschen auf Augenhöhe zu begeben.
Er setzt sich zu Abraham ans Lagerfeuer, liefert sich einen Ringkampf mit Jakob und zeltet mit seinem Volk in der Wüste.
Und irgendwann kommt er buchstäblich auf diese Erde herunter, zieht als Wanderprediger durch Galiläa und blickt den Ausgestossenen, Verachteten, Sterbenden in die Augen.
So alt wie der Mann auf dem Bild ist Jesus zwar nie geworden. So müde, schmutzig, geschunden aber ganz sicher.
Warum sich die Künstliche Intelligenz beim Stichwort «Schöpfer von Himmel und Erde» eine solche Figur «erdacht» hat, bleibt wohl ein Rätsel. Das Ergebnis ist aber mehr als ein Rätsel. Es erzählt vom Geheimnis des christlichen Glaubens.
Ein heruntergekommener Typ, dieser Gott.
6 Gedanken zu „Schöpferische KI: Der heruntergekommene Schöpfer“
Ja, KI verändert alles und kann auch eine ganze Menge.
Schöner Artikel ! Viele Grüße aus München !
Vielen Dank – und liebe Grüsse zurück aus Zürich!
Moin aus dem hohen Norden Deutschlands,
ich habe mich gewundert, dass der Artikel den Schwerpunkt auf die anthropomorphe Gottesdarstellung legt.
Ist die Frage nach Gott denn nicht etwas komplexer und gehaltvoller, als ein Reinstopfen von menschlich geprägten Anschauungen und Vorstellungen in ein maschinelles Lernen erzwingt und suggeriert?
Dvon abgesehen liegen die Herausforderungen von KI/AI eher in und unter ethischen Fragen und Problemfeldern und nicht auf dogmatisch theo-logischen.
Man(n) muss nicht auf jede technische Herausforderung aufspringen: KI-Gottesdienste, KI-Predigten, KI-Gottesbilder — das ist hype und letztlich seelsorgerlich und theologisch boaring und lost.
Konzentriert euch auf die theologische und protestantisch-reformierte Differenzierungs- und Versorgungskultur. Kerngeschäft jedenfalls ist dieser Artikel nicht – eher langweilig und m.E. gehaltlos und unter dem nötigen und notwendigen/notwendenden Niveau.
Danke Mischa für die Rückmeldung! Ich finde es faszinierend, was die KI zu bestimmten theologischen, spirituellen, geilstlichen Stichwörtern unter Rückgriff auf das kollektive Bewusstsein der Menschheit ausgibt – da liegt für mich viel Geheimnisvolles, Ergiebiges, Tiefes drin – auch ganz jenseits der ethischen Herausforderungen, die sich im Gebrauch von KI ergeben. Gegenwärtige Phänomene und Entwicklungen auf ihre Durchlässigkeit für Gottesgegenwart und Geisteswirken zu befragen, ist absolut Kerngeschäft eines wahrhaft reformierten Protestantismus, und es ist im Zentrum dessen, wofür wir als RefLab stehen.
Sehr berührende Gedanken- und KI- Versuche zum Thema. Sie öffnen mir Türen um darüber weiter nachzudenken.
Danke liebe Barbara für deine ermutigende Rückmeldung!