Dein digitales Lagerfeuer
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 Lesedauer: 7 Minuten

Rückspiel: Die kreative Trinität: Heiliger Geist, Zeitgeist und ich

 
Überblick über diese Blogserie
  1. Der Untergang naht – Zeit für freigespielte Hoffnung
  2. Rückspiel: Der Untergang naht – Zeit für freigespielte Hoffnung
  3. Selig sind die Sehnsüchtigen
  4. Rückspiel: Selig sind die Sehnsüchtigen
  5. Spielerisch leben – allen Ernstes
  6. Rückspiel: Spielerisch leben – allen Ernstes
  7. Die kreative Trinität – Heiliger Geist, Zeitgeist und ich
  8. Rückspiel: Die kreative Trinität – Heiliger Geist, Zeitgeist und ich
  9. Begeistert sein – Die Freude am Wandel

 

Ein kreativer Gruss aus der Küche

Heiligabend 2020. Ein Chardonnay aus der Ortenau begleitet die Steinpilzravioli an Salbeibutter. Meine Tochter fragt, ob es davon noch mehr gibt. Ich frohlocke wie die Engel und werte das als gelungenen Menüauftakt. »Warte mal, was da noch kommt«, antworte ich. Und wie es kommt! Noch nie ist mir eine Bratensauce derart gelungen. Dabei geht der Brasato al Barolo an sich schon vortrefflich mit dem Rotkohl. Okay, die Herzoginnenkartoffeln habe ich nicht selbst gemacht. Zwischendrin Bescherung, bevor ich mein Halbgefrorenes auftische, durchsetzt mit frischen Splittern aus Mandel-Caramel. Ein erstaunlicher, wahrhaft heiliger Abend. Ich stimme ein in den Chor, der das Essen himmlisch findet. Ist mir aber peinlich. Ich selbst bin ja der Koch!

Kann man vom Genuss seiner eigenen Kreation überrascht sein? Und sind diese Stunden nicht letztlich ein wundersames Zusammenspiel von ganz vielen Kreationen?

Die pfiffige Küchenmaschine, die mir den fluffigsten Eischnee schlägt. Das Rindfleisch und den Brunello verdanke ich dem handwerklichen, fast künstlerischen Einfallsreichtum von Landwirt und Winzer. Die festliche Atmosphäre hat meine Frau fantasievoll arrangiert. Und der last minute Einfall unseres Sohnes versüsst uns den Abend unerwartet mit einem Portwein.

Nicht zu fassen

Weil ich als Theologe eher neue Erkenntnisse und Ideen ausbrüte, liebe ich es, auch mal etwas Sinnliches auszukochen. Ist es nicht ermutigend, dass schöpferisches Handeln unzählige Formen kennt und bei jeder von uns anders ausfällt?

Wir sind kreativer als wir oft meinen. In jedem Moment verbinden wir Denken, Wollen und Fühlen auf bisher nicht dagewesene Weise.

Oder wann ist Dir beim Lesen eines Textes über Trinität schon mal das Wasser im Mund zusammengelaufen? Kreativ ist das passende Wort, die treffende Tat im rechten Moment. Schöpferisch handeln wir auch dort, wo wir zum ersten Mal eine Verknüpfung herstellen und die Elemente unseres Lebens neuartig organisieren. Neben solch generativer, linearer Innovation spricht die Kreativitätsforschung von breakthrough innovation. Hier brechen sich neue Regeln und Prinzipien Bahn, die das bisherige System weder durch Druck noch Weiterentwicklung generieren konnte. Da werden verblüffende Ideen, Produkte oder Kunstwerke geboren. So unfassbar ist schöpferisches Handeln, dass wir bei seiner Beschreibung bereits kreativ werden:

Wir verbinden und trennen, tüfteln und basteln, forschen und erkunden, imaginieren und phantasieren, experimentieren und improvisieren. Kreativität ist die grösste aller Gaben, mit der wir die Welt, das Leben und uns selbst gestalten.

Das Mögliche kommt auf das Wirkliche zu

Was aber vor allem nicht zu fassen ist, das sind die Bedingungen, unter denen sich Kreativität ereignet. Der kreatorische Akt ist weder kalkulierbar noch steuerbar. Wir können ihn nicht herbeizwingen. Das wäre ein mechanisches Machen, bei dem die bestehende Wirklichkeit immer das Sagen hat. Aus ihr leiten wir Tendenzen, Talente und Potenziale ab. Wir nutzen die Energie von dem, was ist, um zu verwirklichen, was noch nicht ist. Gut so!

Wahrhaft schöpferisch wird es in unserem Leben jedoch erst, wenn das Mögliche in seiner eigenen Freiheit auf das Wirkliche trifft. Jetzt fliegt er, der freie Funke der Kreativität.

Wir erleben das im Kleinen wie im Großen. Plötzlich fällt der Groschen, und das Alltagsgeschäft geht anders weiter. Die Forscherin ruft »Heureka!« und staunt über den unerklärbaren Durchbruch. Der Erfinder findet sich gefunden, die Denker vom Geistesblitz getroffen und die Künstlerin wurde von der Muse geküsst. Etwas von ausserhalb (Transzendenz) fällt in unsere Lebenswirklichkeit. Ein Götterfunke fliegt uns zu und entfacht die Möglichkeit, anders zu leben.

»Jetzt sei mal kreativ!«

Dass Gott selbst mitspielt, wenn wir kreativ handeln, ist alles andere als eine theologische Masche. Es ist die heilsame Befreiung von einem gnadenlosen Imperativ. Denn Kreativität ist heute mehr als ein menschliches Vermögen, sie ist normativ gefordert. Du kannst nie genug von ihr haben und solltest sie als Kompetenz ständig verbessern. Die Befehle sind bekannt: Sei besonders, sonst wirst Du ausgesondert! Erfinde Dich selbst! Sei kreativer als die anderen! Ein riesiger Markt macht mit dem Zwang zur Kreativität steigende Gewinne. Die Diagnose ist längst gestellt:

Der Mensch, der die Kreativenergien in sich selbst finden und zünden muss, brennt aus. Aus dem kreativen Schöpfer seiner selbst und der Welt wird leicht »das erschöpfte Selbst« (Alain Ehrenberg).

Ermüdet so auch jene Lifestyle-Spiritualität, die sich nur aus den Quellen des eigenen Geistes speist, um das persönliche Leben kreativ zu steigern? Der kreative Imperativ funktioniert genauso wenig wie »Sei mal spontan« oder »Ich muss jetzt einschlafen«.

»Komm, Creator Spiritus«

Kreativität können wir nicht machen. Wie wäre es dann mit empfangen, sich küssen und umspielen lassen, sich der Kreativität hinhalten und von ihr ergreifen lassen? Diese Sehnsucht drückt der christliche Glaube seit Jahrtausenden so aus: »Komm, Schöpfergeist!« Eine Hoffnung, die getragen ist von der Erfahrung, dass der Heilige Geist nicht aufhört, Schöpfungsakte zu vollziehen. Die Menschen der Bibel erleben diesen Geist als personifizierte Kreativität, eine weibliche, weisheitliche Figur (ruach), die es liebt, sich zu versprühen, alles zu durchwehen und überall mitzuspielen. Zärtlich und unaufdringlich bietet sie sich ständig an, sucht und findet uns. Und wenn wir diese spirituelle, mystische Sicht auf unsere Kreativität einmal wagen und vertiefen, dann entsteht eine kosmische Spiritualität, die auch naturwissenschaftlich anschlussfähig ist: Der Geist Gottes ermöglicht, trägt und vollendet die Kreativität der Geschöpfe auf allen Ebenen. Und zwar einerseits, indem er in uns lebt und uns erfindungsmächtig macht. Andererseits aber leben wir in ihm. Kreativ spannt er einen weiten Raum auf, in dem sich die oft chaotisch anmutenden Kräfte jederzeit so verbinden können, dass Neues entbunden wird. Oft genügt es schon, wenn wir die eigenen Energien ein wenig drosseln und loslassen. Da hast Du wochenlang intensiv gearbeitet, nimmst einfach mal ein paar Tage frei, stehst unter der Dusche und auf einmal schreibst Du die kreative Lösung an die beschlagene Scheibe.

Die Schöpfung ist der Möglichkeitsspielraum des Heiligen Geistes, in dem er die fein abgestimmten Bedingungen für kreative Momente offenhält.

Göttlich ist das kreative Dreamteam

Gott, der Heilige Geist, macht seine Menschen schöpferisch.

Es ist an der Zeit, das Konkurrenzmodell von Deus creator und homo creator zu verabschieden.

Wir sind in seinem Bild geschaffen. Und das meint an dieser Stelle: Gott ist eine kreatorische Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist – die kreative Ur-Trinität. Hier ist niemand neidisch oder eifersüchtig auf die schöpferischen Fähigkeiten der anderen. Im Gegenteil, sie spielen sich in Liebe einander die kreativen Bälle zu.

Wenn Gott seinen Geist in uns haucht und giesst, dann tauchen wir ein in diese dreifaltige Synergie Gottes.

Schon der biblische Schöpfungsbericht erzählt von dieser geistgewirkten und evolutiven Co-Kreativität. Die Erde ist das gemeinsame Kreativprojekt von Gott und Mensch. Und es würde mich nicht wundern, wenn Gott – ähnlich wie ich am Heiligabend – baff begeistert wäre von den Kreationen seiner eigenen Kreaturen.

Wie im Himmel, so auf Erden

Im Geist können auch wir zusammen konspirieren, transpirieren und einander inspirieren. Bis plötzlich ein stürmischer Teamgeist erwacht. Nach monatelangem Training verbindet er die Tänzer*innen des Balletts derart miteinander und dem ganzen Saal, dass ein unwiederholbares Kunstwerk entsteht.

Im Medium der Zeit verbindet der Geist Gottes auch die Geister der Menschen. So entsteht Zeitgeist als kreative Teamenergie.

Sie kann ein liebevoller Protest sein gegen jenen Geist, der mächtige Interessen daran hat, dass alles so bleibt, wie es ist. Oder den Geist, der resigniert seufzt: »Nichts Neues unter der Sonne.«

Da ist sie also, die irdische, kreative Trinität von Menschengeist, Zeitgeist und Heiligem Geist. Vermutlich wirkt sie nicht in jeder kreativen Energie, die wir derzeit aufbrechen sehen. Geisterunterscheidung mag wichtig sein, aber leben kann man davon nicht.

Geistbestimmt lebe ich dann, wenn ich in die Synergie des dreieinigen Schöpfers eintauche. Nicht als einsames Genie, sondern als der dritte im Bunde mit dem Heiligen Geist und den guten Geistern der Zeit.

 

Foto von Sharon McCutcheon von Pexels.

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