Die dritte Schöpfung
Mit gerunzelter Stirn studiert Gott den Bauplan von Universum 3.0. «Diesmal muss es klappen» murmelt sie vor sich hin. «Aller guter Dinge sind drei», sagt der Heilige Geist ermutigend. Die Fehler der beiden ersten Versionen würden sie nicht nochmals wiederholen.
Schwierige Einzelkinder
Universum 1.0 war genaugenommen kein Universum: Es bestand aus einem einzelnen Planeten. Ausser den aufrechtgehenden Zweibeinern stolzierten keine anderen Lebewesen über die grünen Wiesen. Der Heilige Geist war so entzückt über sein Einzelkind «Menschheit», dass er alle seine Wünsche erfüllte, noch bevor sie sich zu einem Gedanken geformt hatten. «Eigentlich hätten wir es vorausahnen müssen», sagt Gott, «zu viele Einzelkinder auf einem Haufen vertragen sich nicht.» Nach kurzer Zeit erfand jede:r eigene Spielregeln und beanspruchte den Planeten für sich alleine. Wer trotzdem zu verlieren drohte, begann hysterisch herumzuschreien.
Die wachsende Unendlichkeit
Also beschloss Gott mit schmerzenden Ohren und schmerzendem Herzen einen Neustart und nahm Universum 2.0 in Betrieb: ein grosser Raum mit so vielen Planeten, dass Gott jedes Mal einschlief, wenn sie die Himmelskörper zu zählen begann. Zunächst war das Universum von unendlich vielen Spezies besiedelt. Da sich sowohl die Wesen als auch die Planeten vermehrten, nahm die Unendlichkeit laufend zu. Auch Menschen gab es irgendwo. Niemand sollte auf die Idee kommen, das Universum würde ihm oder ihr allein gehören.
Inflation und Silvesterfeuerwerk
Doch auch hier liess das Chaos nicht lange auf sich warten. Unendlichkeit ist nur ein anderes Wort für Inflation − der Wert eines einzelnen Lebens sank unter null. Nach ein paar grundlosen Kriegen war der Tiefpunkt erreicht: Politikbeobachter:innen verschiedener Planeten entdeckten einen Zusammenhang zwischen spektakulärem Silvesterfeuerwerk und einer Wiederwahl der Bürgermeister:innen. Von da an sprengte man zur Feier des Neuen Jahres benachbarte Planeten in die Luft. Alle, deren Gliedmassen sich noch an ihrem Körper befanden, freuten sich. Ausser Gott. Seufzend drückte sie den Ausschalt-Knopf.
Einzigartig und verloren
Nun steht der Start von Universum 3.0 kurz bevor. Der Bauplan scheint vielversprechend: Ein unendlich grosser Raum voller Galaxien, Sonnensysteme, Planeten und Kräften, an deren Erforschung selbst die klügsten Köpfe zerbrechen. In dieser Unendlichkeit würde kein Mensch auf die Idee kommen, das Zentrum des Universums zu sein.
Doch im Unterschied zu Universum 2.0 ist das Leben kostbar. Die wenigen bevölkerten Planeten sind so weit auseinander, dass sie einander höchstens erahnen, doch niemals antreffen werden. In der Stille eines leeren Universums wirkt die eigene Stimme gleichzeitig einzigartig und verloren.
«Besonders clever fand ich deine Idee, dass die Menschen nur überleben können, wenn sie sich gut um die anderen Lebewesen kümmern», sagt Gott anerkennend zum Heiligen Geist. «Was soll da noch schief gehen?»
Grafik: Rodja Galli
2 Gedanken zu „Planet A. Die Klimakolumne: Dritte Schöpfung“
Wie ein modernes Märchen präsentiert sich diese Geschichte. Wenn es doch bloss ein Märchen wäre!!!
Die Basis der “3. Schöpfung” ist allerdings schon in der Bibel festgehalten: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Bleiben wir dran!
Manchmal kann man der Realität etwas leichter begegnen, wenn sie im Kleid eines Märchens daher kommt… 🙂