2025 feiert die Täuferbewegung ihr 500-jähriges Jubiläum. Im Januar 1525, bei eisiger Kälte, tauften sich drei erwachsene Männer gegenseitig – ein Akt, der als Verbrechen galt und für den sie bald hingerichtet wurden. Doch diese Taufe setzte eine Bewegung in Gang. Sie war ihrer Zeit weit voraus und hinterlässt bis heute weltweit Spuren.
Es gibt ganz viele Klischees über Täufer, die oft nicht stimmen. Hier sind zehn Facts, die du über Täufer:innen wissen solltest:
1. «Täufer? Das sind doch die mit den Kutschen!»
Immer mal wieder erscheint irgendwo in den Medien ein Bericht über täuferische, mennonitische oder amische Gemeinschaften, die in Nord- oder Südamerika abgeschottet wie im 19. Jahrhundert leben. Diese Gruppen meiden Technologie, leben mit strengen Regeln und vertreten konservative Werte – faszinierend und irritierend zugleich.
Tatsächlich gehören sie zur Täuferbewegung, machen aber nur 10–15 % der weltweiten Täufer:innen aus. Der Grossteil von ihnen lebt völlig integriert in der Gesellschaft. Zwei Drittel aller Mitglieder stammen aus Afrika, Asien und Südamerika und haben keinerlei kulturelle Verbindung zu Europa. Die grösste Täufergemeinschaft befindet sich (vielleicht überraschend) in Äthiopien, mit über einer halben Million Mitgliedern.
👉 Nein, nicht alle Täufer leben wie die Amish. Die Bewegung ist vielfältig – von modern bis traditionell.
2. Warum «Täufer»/«Täuferinnen»?
Täufer:innen wurden über Jahrhunderte von Aussenstehenden – oft von ihren Gegnern – als «Wiedertäufer» bezeichnet. Sie glaubten, dass sich nur mündige Menschen aus eigener Entscheidung taufen lassen sollten – als Zeichen ihres bewussten Glaubens an Jesus Christus. Da in Europa über Jahrhunderte alle als Baby getauft wurden, mussten viele Täufer:innen bei ihrem Glaubenswechsel erneut getauft werden – daher die Bezeichnung «Wiedertäufer». Später liess man das «wieder» weg. Heute spricht man schlicht von Täufer:innen.
3. Täufer-Glaube in drei Sätzen
✅ Radikale Orientierung an Jesus Christus und seinen Lehren – mit besonderem Fokus auf Gewaltfreiheit und Feindesliebe.
✅ Kirchliche Gemeinschaft als Ort, an dem Menschen Liebe und ein Leben nach diesem Vorbild von Jesus pflegen. Wo sie sich aktiv beteiligen können und gemeinsam nach Gottes Willen suchen.
✅ Friedensarbeit und Versöhnung als Auftrag. Dies, ohne über Ungerechtigkeit hinwegzusehen.
Täufer:innen glauben, dass ein Leben gemäss dieser Überzeugungen nur durch die Kraft des göttlichen Geistes möglich ist. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass auch ihnen dies nicht immer konsequent gelungen ist.
4. Warum wurden Täufer verfolgt?
Die Täufer:innen vertraten Überzeugungen, die für Staat und Kirche hochbrisant waren:
❌ Sie tauften keine Kleinkinder.
❌ Sie verweigerten den Militärdienst.
❌ Sie lehnten es ab, irgendeinen Eid zu schwören.
Heute klingen diese Prinzipien harmlos, doch damals erschütterten sie die gesellschaftliche Ordnung. Taufregister waren entscheidend, um Bürger:innen staatlich zu erfassen. Die Armee war überlebenswichtig, und Eide sicherten Loyalität. Täufer, die sich dem widersetzten, wurden über 150 Jahre lang verfolgt, enteignet, verbannt und hingerichtet.
5. Täufer, Mennoniten, Baptisten – wer ist wer?
Die bekanntesten Nachfahren der Täuferbewegung sind die Mennoniten. Sie sind benannt nach dem niederländischen Pfarrer Menno Simons, der eine ihrer Leitungspersonen wurde. Auch die Amischen, die sich später in Nordamerika ansiedelten, stammen aus der Schweizer Täufertradition. Sie teilen aber nur wenige Gemeinsamkeiten mit modernen Mennoniten.
Baptisten sehen sich teilweise als Nachfolger der Täuferbewegung, betonen jedoch weniger Gewaltfreiheit und Friedensarbeit. Insgesamt ist die Täuferbewegung ein weit gefasster Begriff, unter dessen Dach verschiedene Gemeinschaften – wie die Mennoniten – vereint sind.
6. Täufer:innen-Mode: Gibt’s eine Kleiderordnung?
Einige konservative Täufergruppen haben strikte Kleidervorschriften:
👔 Männer tragen kariertes Hemd und lange Hosen – auch bei Hitze.
👗 Frauen erscheinen nur in langen Röcken und mit Kopfbedeckung.
Doch das betrifft nur eine kleine Gruppe. Der Grossteil der weltweiten Täufer:innen, einschliesslich der europäischen Mennoniten, hat keine festgelegte Kleiderordnung.
7. Fundamentalisten oder Friedensstifter?
Wie in jeder religiösen Gemeinschaft gibt es auch unter den Täufern fundamentalistische Strömungen. Viele täuferische Gruppen lebten lange isoliert, was den Zusammenhalt stärkte – aber manchmal auch zu einer strikten Abgrenzung führte.
Heute sind Mennoniten besonders für ihre Friedensarbeit bekannt. Ihr gewaltfreier Einsatz für Gerechtigkeit hat sie weltweit zu anerkannten Friedensstifter:innen gemacht. Zunehmend haben sie sich von fundamentalistischen Haltungen distanziert.
8. Gleichberechtigung: Männer, Frauen, Queer?
Die Täuferbewegung ist äusserst vielfältig. Es gibt keine zentrale Instanz, die für alle täuferischen Kirchen entscheidet.
🌈 Manche Gemeinden, besonders in Europa und Nordamerika, sind LGBTQ+-inklusive und haben queere Pastor:innen.
⚖️ Andere halten an traditionelleren Rollenbildern fest.
Beim Thema Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist es in den meisten europäischen Mennonitengemeinden so, dass Frauen in allen Bereichen Lehr- und Leitungsaufgaben übernehmen können.
9. Einmal Täufer, immer Täufer?
(Oder: Was passiert, wenn man austritt?)
Es kommt vor, dass Mitglieder Täufergemeinden verlassen – sei es aus persönlichen Gründen oder aufgrund veränderter Lebensumstände.
Früher führte ein solcher Schritt in manchen Gemeinschaften dazu, dass die betroffenen Personen bewusst gemieden wurden. Heute ist das in den meisten Täufergemeinden nicht mehr der Fall. Vielmehr wird ein respektvolles und versöhnliches Auseinandergehen angestrebt.
Der Abschied von einer Gemeinschaft, die über lange Zeit hinweg eine wichtige Rolle im eigenen Leben gespielt hat, verändert die Beziehung zur Gemeinde und kann mit schmerzhaften Gefühlen verbunden sein. Doch niemand muss heute mehr fürchten, wegen eines Austritts aus einer Täufergemeinschaft geächtet oder gemieden zu werden.
10. Dürfen Täufer Militärdienst leisten?
Mennoniten haben in der Schweiz massgeblich zur Einführung des Zivildienstes beigetragen. In den 1970er- und 80er-Jahren sassen einige Täufer noch im Gefängnis, weil sie den Wehrdienst verweigerten.
Seit der Einführung des Zivildienstes ist die Situation entspannter. Einige Mennoniten leisten heute sogar freiwillig Militärdienst. Sie werden in ihrer Entscheidung respektiert, müssen sich aber gelegentlich kritischen Fragen aus der Gemeinschaft stellen.
Ein Fazit
Die Täuferbewegung ist vielschichtig und lässt sich nicht auf ein einziges Bild reduzieren. Ihre Geschichte ist geprägt von Verfolgung, Gewaltfreiheit und dem Bemühen um ein glaubwürdiges Leben nach dem Vorbild von Jesus.
Egal, ob du sie mit Kutschen oder mit Friedensaktivismus verbindest – Täufer:innen sind weit mehr als nur ein Klischee. 🚀
Riki Neufeld (41) ist Pastor in der Evangelischen Mennoniten Gemeinde Schänzli in Muttenz. Er ist in einer mennonitischen Familie in Paraguay aufgewachsen und hat in Kanada und Deutschland Theologie studiert. Über sein Täufer-Sein hat er mit Felix Reich etwas persönlicher auch schon im Podcast «Stammtisch» gesprochen.
Foto von Tachina Lee auf Unsplash