Mit offenem Mund starre ich dem Fahrrad hinterher. Oder zumindest fühlt es sich so an, als würde ich das tun − meine guten Manieren verhindern, dass meine Gefühle so öffentlich ausbrechen. Das schwarze Jackett flattert. Der Wind drückt das weisse Hemd flach an den Oberkörper. Die gebügelte Hose faltet und spannt sich bei jedem Tritt in die Pedale. Ein Anzugträger auf dem Fahrrad − es gibt noch Hoffnung für die Welt! Offenbar sind es nicht nur Primarlehrer und Sozialarbeiterinnen, die sich klimaneutral fortbewegen.
Ein Stadtplan fürs Fahrrad
Als hätte auch die Ampel den grünen Wandel bemerkt, schaltet sie um. Bevor ich die Strasse überquere, werfe ich nochmals einen Blick auf den Anzugträger und sehe, wie ein Papier aus seiner Hosentasche fällt. Mit gespielter Hilfsbereitschaft und echter Neugierde gehe ich der Strasse entlang, um das Blatt aufzuheben. Was wohl draufsteht? Vielleicht bittet er darin die Firmenleitung, Velokleidung zum neuen Dresscode zu erklären. Oder er hat einen Stadtplan entworfen, um die ganze Welt mit seiner Freude am Fahrradfahren anzustecken: Zweispurige Fahrradstrassen, auf denen Menschen in Geschäftskleidung, Overalls, Funktionsjacken und Serviceblusen zu ihrem Arbeitsplatz strömen.
Damit sie auch in hügeligen Städten ohne Schweissflecken im Büro ankommen, werden Velotunnels und -überführungen gebaut. In meiner Vorstellung zeigt der Stadtplan entspannte Gesichter. Der geradelte Heimweg wirkt wie eine Massage: Statt dass sich der angesammelte Stress durch den Feierabendverkehr verdoppelt, wird er mit kraftvollen Pedaltritten rausgelassen. Selbst an vielbefahrenen Strassen sitzen Leute gemütlich auf dem Balkon, da kaum noch Motoren zu hören sind.
Eine bessere Zukunft verkörpern
Erwartungsfroh nähere ich mich dem Papier. Meine ausgetrocknete Hoffnung beginnt zu sprudeln, sobald sie einem Menschen begegnet, der eine bessere Zukunft verkörpert. Es waren immer einzelne Menschen, die Veränderungen angestossen haben. Aus den ersten Jünger:innen wuchs eine weltweite Kirche; dank Aufständischen in der Französischen Revolution arbeiten nun auch Frauen in der IT. Der Anzugträger erinnert mich an den biblischen Hoffnungsfunken, dass selbst habgierige Menschen wie Zachäus grosszügig werden können. Vielleicht löst gerade dieser Mann einen Fahrradtrend in den Teppichetagen aus.
Neugierig hebe das Papier auf.
«Sehr geehrter Herr Wyss, Ihr Porsche Cayenne ist repariert und abholbereit.»
2 Gedanken zu „Hoffnungsträger im Anzug“
Die endlosen REFLAB-Ungereimtheiten können – nicht nur in Sachen Klima – ein paar Reime vertragen:
Grundsätzlich ist die Welt zu bessern,
indem wir r i c h t i g sie bewässern.
Das tut der ganzen Schöpfung gut,
macht über-flüssig Flüchtlingsflut,
gibt allen Menschen Lebenssinn,
weil führt zu PRIMA-KLIMA hin
sehr zum Wohle aller Kreatur
in Gottes eigener Natur
für eine Freuden-Kur
pur,
damit alle Generationen
wirklich sicher auf ihm wohnen,
falls Menschen jemals überlegen,
wie unsern Stern man sollte pflegen.
denn klar ist (ohne groß sich aufzuregen) :
Viel billiger als Bomben ist Gottes Regen-Segen.
Wer aus diesem Kelche
nimmt nur einen Schluck;
— egal die Stelle und welche —
erfährt Freude prächtig, rucke-di-zuck
@Hr Friedrich,
ganz witzig, sind sie etwa der Cousin eines begabten Kinderbuchautors, der noch eine kurze Zeit das Wirtschaftsministerium in D fuehrt? 😉
Aber wer wollte Kinder damit anluegen?
– Wasser gibt es genug auf der Erde und es wird auch immer genug regnen (what goes up, must come down, mehr Verdunstung -> mehr Regen). Die Verteilung variiert natuerlich.
– alle Wuesten zu bewaessern waere eine Ueberforderung und wuerde durch Versalzung die Boeden fuer lange Zeit unfruchtbar machen
– billiger als Steppen zu bewaessern, ist es ggfs Landwirtschaftszonen dahin auszuweiten, wo mehr Regen faellt (zB Kasachstan), das geschieht auch, nennt man Welthandel
– Fluechtlinge kommen zu uns weniger wegen ihrem Heimatklima (zu heiss) sondern aus versch. anderen Gruenden (fachkommission-fluchtursachen.de/start)
Sie koennen ja noch am Reimmass arbeiten, dann kann man das Gedicht vielleicht tanzen?
LG Joerg