Es fühlt sich an wie ein extra Körperteil und trägt mich fast überallhin: Mein Velo. Es ist unspektakulär spektakulär, wie das richtig gute Dinge an sich zu haben scheinen. Ich liebe es innigst und fühle mich amputiert, wenn es mal in Reparatur muss. Zu Fuss irgendwohin, oder gar mit dem Tram? Fägisses. Zu langsam, zu träge, zu fremdbestimmt.
Nun würde ich euch ja gerne von meinem schick-aufgemöbelten Damenvelo in oceangreen erzählen. Doch das steht im Keller, jeden Tag entweicht bitz mehr Luft aus seinen Pneus. Meinem Stolz tut das weh. Die Wahrheit ist nämlich:
Seit ich auf dem Berg wohne, nein, seit ich das Prinzip «Effort» aus meinem Leben gestrichen habe, fahre ich ein E-Bike.
Also es fährt mich. Klar habe ich früher jeweils laut gehatet über E-Biker*innen und war stolz auf mein Leiden auf dem Nachhauseweg. Jeden Tag vom Zürcher HB hochgekrochen bin ich. Bin schweissgebadet angekommen, auch im Winter. Angenehm ist anders.
Dann hat sich mein Leben einmal komplett umgekrempelt, ihr wisst schon, no need to repeat myself. Und dieses unnötige Leiden, diese Anstrengung schien nur noch überflüssig. Absurd sogar.
Meine Schwiegermutter schenkte mir die Lösung: Mein geliebtes Velo mit Motörli.
Auch wenn ich nicht mehr an Effort glaube – als Ästhetin tue ich mich immer noch etwas schwer mit der Optik meines Velos. Schick ist es nicht, obwohl es in seinem mattschwarzen Rahmen nicht das hässlichste Modell ist. Die Batterie zerstört die Anmut, die einem Velo normalerweise eigen ist. Wie etwa dem im Keller vor sich hin schlummernden Damenvelo. Ab und an hole ich es raus, pumpe die Reifen auf und drehe eine Runde.
Ab und an möchte mein Körper sogar wieder aus eigener Kraft den Berg hochfahren. Das lässt sich allerdings an einer Hand abzählen.
Trotzdem. Ich liebe mein E-Bike, ich liebe mein Velo. So wie man vielleicht einen alten Pulli liebt, der zwar hässlich, aber irgendwie doch so vertraut und treu und voller Erinnerungen ist. Nie überlege ich mir, ob ich mit dem Velo oder vielleicht doch mit dem Bus nöimed ane soll. Da meine Wege mühelos sind, fällt die Wahl immer auf das Erstere. Wir transportieren Einkäufe, Farbkübel, ja sogar Koffer den Berg hoch. Fahren zum Türlersee oder nach Affoltern am Albis. Entsorgen überfüllte Altglas-Säcke und verlieren manchmal unsere Last.
Letzten Sommer etwa, da wollte das Badetuch nicht im Körbli bleiben und ich kam ohne in der Flussbadi Letten an – da aber verlorene Dinge meistens zu mir zurückfinden, liess ich mich nicht vom Baden abhalten. Prompt sah ich auf dem Nachhauseweg mein Tüechli sorgfältig drapiert auf einem Abfallcontainer.
Ich schweife ab, pardon. Ich mag, wie unpratentiös mein Velo auftritt. Es ist weiss Gott nicht cool. Doch seine Loyalität und Zuverlässigkeit machen das tausendfach wett. Ja ich glaube, mein Velo repräsentiert in Vielem das, was ich hochhalte:
Eine unspektakuläre Einfachheit, die nicht nach viel aussieht – und gleichzeitig Spektakuläres vollbringt.
Ganz wie mein Üben, mein Leben. Sieht nicht nach viel aus, ist fürchterlich gewöhnlich. Und gleichzeitig spektakulärer und mirakulöser, als sich das je jemand hätte ausdenken können. Irgendwie logisch, spiegelt sich das auch in meinem Velo, nicht?