Dein digitales Lagerfeuer
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 Lesedauer: 3 Minuten

Eine kurze Rückkehr in die Kindheit

Zwei Stunden muss ich auf den nächsten Flug warten, bei dieser Reise vor ein paar Jahren. Am Kiosk will ich mir ein paar Snacks und einen Orangensaft holen, dazu noch eine Zeitschrift zur Unterhaltung – doch dann sehe ich in der Auslage eines Ladens Lego-Sets.

Wie toll wäre das: Lego zusammenzubauen, anstatt ein halbes Dutzend Artikel zu lesen, an die ich mich nach der Landung ohnehin nicht mehr erinnern werde?

Ich kaufe ein Set mit Dinosauriern. Drei verschiedene Dinos kann man aus den Teilchen zusammensetzen. Meine Challenge: Schaffe ich alle drei bis zum Boarding?

Der beste Zeitvertreib ever

Mit grosser Vorfreude setze ich mich in eine leere Reihe Kunstledersessel am Gate und öffne das Set. Ich muss die Teile wieder gut verstauen können, deshalb achte ich darauf, die Schachtel nicht zu zerreissen. Die Plastiktüte aus dem Duty-Free-Shop kann ich jetzt als Unterlage verwenden.

Schritt für Schritt setze ich die grünen Steinchen, die kleinen grauen Scharniere und die weissen Reisszähne zusammen. Der beste Zeitvertreib ever!

Ich bin ganz versunken in der Spielfreude und hoffe, dass das Boarding sich ein wenig verzögert.

Schon so lange habe ich nicht mehr mit Legoteilen gespielt. In meiner Kindheit waren sie jedoch omnipräsent: Ich erinnere mich noch gut, wie ich mal ein grosses Lego-Spital zu Weihnachten bekommen habe.

Ganze Welten haben wir im Spielzimmer aufgebaut, eine Villa mit vielen Bäumchen im Vorgarten, Bibliotheken voller «Bücher», die eigentlich Fensterladen-Legos waren, Bagger, die in Mülldeponien für Ordnung sorgten.

Eintauchen in die Welt der Erfindungsfreude

Die Erfindungsfreude und Kreativität ist leider zu einem grossen Teil in der Kindheit geblieben… Heute macht es mir schon Spass, Punkt für Punkt die Anleitung zu befolgen und die richtigen Teile dafür zusammenzusuchen.

Es soll ja nicht wenige Menschen geben, die «für ihre Kinder» Lego kaufen und dann selber am meisten Zeit damit verbringen. Mein Gottimeitli mag lieber Playmobil, wo es nichts zusammenzusetzen gibt.

In meinem Umfeld gibt’s also keine Gelegenheit, sich in Lego-Welten einzuklinken.

Vor einigen Jahren veranstaltete ein Freund von mir ein «Lego-Meet-Up»: Ein Dutzend Leute, die sich von Social Media kannten, trafen sich einen Abend lang in einem Café, um zusammen einen riesigen Schaufelbagger zusammenzubauen. Das Set mit einer fast 700-seitigen Anleitung liess sich in mehrere Bauphasen unterteilen, und so «arbeiteten» an mehreren Tischen Leute gleichzeitig bis tief in die Nacht.

Einfach wieder mal spielen

Mein Dino-Projekt an Gate C28 ist winzig dagegen. Bis mein Flug aufgerufen wird, habe ich den Triceratops geschafft.

Ich packe die losen und die zusammengesetzten Teile sorgfältig in die Plastiktüte, und sobald nach dem Abflug das Tischchen runtergeklappt werden darf, baue ich weiter. Der Platz neben mir ist frei, so bin ich ungestört.

Der Flug ist im Nu vorbei. Bei der Ankunft in Zürich ist der Tyrannosaurus Rex fertig. Ich glaube, ich habe bisher kein Teilchen verloren – aber bei der kurzen Rückkehr in meine Kindheit enorm Spass gehabt.

 

Bild: LEGO

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. Februar 2022 in der Serie «Himmlisches Zeugs». Er wurde in der Fastenzeit 2025 unter dem Thema «Flood them with Hope» erneut veröffentlicht.

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1 Gedanke zu „Eine kurze Rückkehr in die Kindheit“

  1. Es heisst: „Werdet wie die Kinder.“ Doch was bedeutet das wirklich, und was hat es mit Spiritualität zu tun?

    Oft wird angenommen, dass es dabei lediglich um eine spielerische Unbekümmertheit geht, doch die eigentliche Bedeutung reicht viel tiefer. Kinder besitzen eine bemerkenswerte Eigenschaft: Sie sind frei von komplizierten Gedankenkonstrukten, von Kalkül, Stolz oder übermässigem Ego.

    Sie nehmen die Welt unmittelbar wahr, sind im Moment verankert und besitzen eine natürliche Reinheit des Herzens. Genau diese Eigenschaften sind es, die einen Menschen überhaupt erst für den spirituellen Pfad empfänglich machen.

    Solange unser Herz voller Anhaftungen, Ängste und Überlegungen ist, die aus dem Ego entspringen, bleibt die spirituelle Wahrheit für uns verborgen. Ein kompliziertes, von Sorgen belastetes oder von intellektuellen Konstruktionen dominiertes Herz kann die reine Wahrheit nicht erfassen. Es wird vielmehr von Gedankenketten umschlungen, die es daran hindern, sich der Realität Gottes direkt zu öffnen. Deshalb ist die kindliche Einfachheit keine naive Haltung, sondern eine essentielle spirituelle Qualität.

    Doch Einfachheit allein ist nicht gleichbedeutend mit Spiritualität. Ein Kind, das vertieft mit Bauklötzen oder Spielzeug spielt, ist zwar völlig gegenwärtig in seiner Tätigkeit, doch diese Versenkung allein führt noch nicht zur spirituellen Erkenntnis.

    Das Eintauchen in eine Handlung wird erst dann zur spirituellen Praxis, wenn sie auf Gott ausgerichtet ist. Wahre Spiritualität beginnt, wenn die Hingabe und Unschuld eines Kindes auf heilige Tätigkeiten übertragen wird – auf das Chanten heiliger Namen, das Hören über Gott, das Meditieren oder das Dienen mit aufrichtigem Herzen.

    Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Qualität der Hingabe. Kinder können sich vollkommen in eine Tätigkeit vertiefen, ohne sich ablenken zu lassen. Doch entscheidend ist, in was sie sich vertiefen.

    Wer sich mit derselben Unschuld und Aufmerksamkeit in spirituelle Praktiken versenkt, beginnt erst wirklich, den spirituellen Weg zu beschreiten. Andernfalls bleibt es eine blosse Konzentrationsfähigkeit, die zwar eine gute Grundlage bildet, aber noch nicht von sich aus zur Gotteserkenntnis führt.

    Deshalb beginnt wahre Spiritualität erst dort, wo das Herz nicht nur einfach und rein, sondern auch auf das Höchste ausgerichtet ist. Ein Mensch, der kompliziert denkt, immer wieder analysiert, abwägt oder sich selbst als Mittelpunkt seiner Betrachtungen sieht, bleibt in der materiellen Illusion gefangen.

    Erst wenn er die Demut eines Kindes entwickelt, frei von Stolz und Berechnung, und diese Haltung in den Dienst Gottes stellt, öffnet sich ihm der Weg zur spirituellen Erkenntnis.

    So gesehen ist das Versinken in eine einfache Tätigkeit nicht nur ein schöner Nebeneffekt des Lebens, sondern eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den spirituellen Fortschritt.

    Erst wenn diese Fähigkeit zur vollständigen Hingabe bewusst auf den spirituellen Pfad gelenkt wird, beginnt wahre Spiritualität.

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