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Himmlisches Zeugs: Heilige Soße

Kulinarische Kleinkriege

Wir beginnen mit dem fein gewürfelten Schweinespeck (Pancetta), den wir in einer großen Pfanne anbraten. Zusammen mit etwas Olivenöl geben wir dann gehackte Zwiebeln, Sellerie und Karotten dazu. Das Ganze wird angedünstet und dann mit dem Rinderhackfleisch vermengt.

Ja, heute machen wir Bolognese.

Bevor ich aber ausführe, was die Zubereitung dieser traditionellen Pasta-Soße für mich bedeutet, muss ich klarstellen: In den kulinarischen Kleinkrieg um die Frage, wie man eine Bolognese richtig (!) zubereitet, möchte ich mich keinesfalls einmischen. Pop-Köche wie Jamie Oliver oder Gordon Ramsey wurden auf Youtube von italienischen Chefs buchstäblich auseinandergenommen, weil ihnen offenbar kapitale Fehler unterlaufen sind (schon der eingangs erwähnte Pancetta ist umstritten…).

(Eine neunmalkluge Bemerkung sei mir allerdings trotzdem erlaubt: Bolognese isst man richtigerweise nicht mit Spaghetti – von wegen «Spaghetti Bolognese»… – sondern mit Penne, frischen Tagliatelle oder einer anderen Pasta-Variation, welche die Sosse gut aufnehmen kann.)

Rituelles Kochen

Also: Ich möchte gerne zwischen einem alltäglichen und einem, sagen wir «rituellen» Kochen unterscheiden.

Wenn ich über Mittag für die Kinder etwas halbwegs Anständiges auf den Tisch bringen will und dafür nur gut 15 Minuten zur Verfügung habe, dann werde ich dabei wohl eher keine spirituellen Grenzerfahrungen machen. Es sei denn, dass ich mir beim Rüsten des Gemüses eine Fingerkuppe wegschneide.

Schicke ich mich dagegen an, eine Bolognese zuzubereiten, dann reden wir von was ganz anderem. Auch ohne den Einkauf nimmt der Prozess vom Bereitlegen der Zutaten bis zur fertigen Soße mehrere Stunden in Anspruch.

Geduldiges Abstimmen

Meistens finde ich den Mut und Antrieb dazu an ruhigeren Abenden des Wochenendes. Dann schneide ich Zwiebeln, Karotten und Sellerie klein, lege Hackfleisch, Pelati und Tomatenmark bereit und mache mich ans Werk.

So richtig beschwingt wird die Sache mit ein bisschen passender Musik im Hintergrund. (Nein, keine Opern. So konsequent muss es dann auch nicht sein…)

Sind die wichtigsten Zutaten einmal im Topf – meistens muss ich auf eine zweite große Pfanne ausweichen, weil ich es mit den Mengen mal wieder übertrieben habe – geht es ums Einkochen und Verfeinern. Seit wir stolze Besitzer eines eigenen Gartens sind, dürfen frische Kräuter natürlich nicht fehlen. Auch die Gewürze werden erst mit der Zeit abgestimmt, wenn der Rotwein und die Brühe sich reduzieren.

Unterwanderte Marktlogik

Was ist es, was mich an der Zubereitung einer Bolognese immer wieder glücklich macht? Ist es der bewusste Prozess, der keine Eile und keine Abkürzungen verträgt und mich ganz bei dem sein lässt, was ich hier gerade zubereite?

Oder ist es vielleicht einfach die Tatsache, dass ich mir hier etwas erlaube, das gegen jede moderne Marktlogik verstößt und den Geist unserer Zeit gleich mehrfach unterläuft?

Würde man meinen Einkauf zusammenrechnen und einen minimalen Stundensatz draufschlagen, so würde jedenfalls klar, dass sich ein solches Projekt ökonomisch niemals lohnen kann. Da hätte ich die teuerste Soße im Gourmetladen kaufen und mir einen netten freien Abend machen können. Sagt derjenige, der keine Ahnung hat von dem, was das Leben ausmacht.

Gefeiertes Leben

Gerade als Zeitgenosse brauche ich immer mal wieder eine handfeste und gaumenfreudige Erinnerung daran, dass in der ungeteilten Aufmerksamkeit, in der zelebrierten Bedächtigkeit ein besonderes Geheimnis wohnt.

Eben bei diesen Gelegenheiten holt mich die Gewissheit ein, nicht nur ein Rädchen im Getriebe einer kapitalistischen Beschleunigungsgesellschaft zu sein, sondern wahrhaft zu leben.

Das ist wohl auch der Grund, warum ich im Rückblick auf umtriebige, gestresste Zeiten oft feststellen muss: Ich bin über Monate hinweg nicht im beschriebenen Sinne zum Kochen gekommen.

(Photo by Emanuel Ekström on Unsplash)

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