Der Aufklärungsphilosoph und Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) wurde nicht durch eine philosophische Abhandlung, sondern durch eine eingängige Erzählung weltberühmt: In «Nathan der Weise» plädiert er in narrativer Form für den Frieden der (monotheistischen) Religionen.
Peter und Manuel vertiefen sich in die sog. «Ringparabel», welche den argumentativen Kern der Erzählung Lessings bildet – und fragen sich, inwiefern deren Vorgaben als Modell zur Verständigung der Religionen taugt. Ist es wirklich so einfach: Sollten sich die Religionen einfach durch ihre ethischen Qualitäten bewahrheiten – oder wird hier unter der Hand die Eigenart und das Selbstverständnis der Religionen übersteuert? Wie aber könnte denn sonst eine fruchtbare (und nicht gewaltsame) Begegnung der Religionen gelingen?
Zu den Beitragenden
Manuel Schmid ist Co-Leiter von RefLab. Er wurde mit einer religionsphilosophischen Arbeit promoviert und liebt es, unsere Zeit und Gesellschaft durch vertieftes Nachdenken und angeregtes Diskutieren besser verstehen zu lernen.
Heinzpeter Hempelmann ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie, Autor von über 40 Büchern und 500 Aufsätzen (viele davon sind hier kostenlos abrufbar). Er ist ausgewiesener Experte in Fragen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie der Lebensweltforschung – und er hat eine Leidenschaft für die verständliche Vermittlung komplexer philosophischer und theologischer Sachverhalte.
3 Gedanken zu „Gotthold Ephraim Lessing: Können sich die Religionen nicht endlich vertragen?“
Ich bin mit dieser Folge einigermaßen unzufrieden.
Ihr spitzt z.B. alles auf die Ringe zu und legt alle Eigenschaften der Religion(en) hinein und ignoriert die Söhne und deren “Individualität”.
Diese sind es doch mit ihrer Unterschiedlichkeit, die die Religionen zusammen mit dem Ring repräsentieren.
Und nein: die Auferstehung gibt es naturwissenschaftlich nicht. Naturwissenschaftlich ist Tramszendenz nicht erweisbar. Nicht zu einem Prozent und nicht zu 99 Prozent.
Auferstehung gibt es nur als eine Hoffnungserfahrung, die einer Absicherung nicht zugänglich ist. Jegliche Wahrscheinlichkeitsrechnung ist in dieser Hinsicht sinnlos.
Warum redet Ihr dann doch immer wieder drum herum?
Es gibt keine Sicherheit. Punkt.
Weder In der Wissenschaft (vgl. Richard Feynman, dem Nobelpreisträger), noch im Glauben, den es nie ohne den Zweifel gibt.
Leben ist Wagnis. Glaube ist Wagnis.
Christentum gibt es nicht ohne Karfreitag, der größten Infragestellung von Ostern. Und Ostern symbolisiert die Hoffnung, dass die Karfreitage unseres Lebens nicht das Letzte sind.
Warum bleibt Ihr nicht dabei, dass es keine Sicherheit gibt?
Ihr haltet das kurz richtig fest – und diskutiert dann immer wieder weiter, als gäbe es sie doch!
Bleibt doch mal konsequent dabei: Es gibt diese Sicherheit nicht. Niemand – außer Gott selbst – hat die Wahrheit. Und da wir nicht Gott sind, verfügen nicht nur wir nicht drüber, sondern niemand verfügt drüber.
Und Positionen sind keine Wahrheit. Sondern Positionen sind als solche immer relativ.
Ihr benehmt Euch wie Menschen, die beweisen wollen, dass man Kreise quadrieren kann. Es ist zwar bewiesen, dass es nicht geht. (Denn das kann man sogar mathematisch beweisen.) Und statt dabei zu bleiben, wird diese Erkenntnis durch das immerwährende Bemühen konterkariert, dass es mit genügend Winkelzügen doch irgendwie möglich sein muss.
Ich habe jetzt einige Folgen Eures Podcasts gehört, aber dieser Punkt fällt mir zunehmend auf den Wecker.
Zwischendrin der richtige Satz: Es gibt keine Sicherheit. Und im nächsten Satz diskutiert Ihr weiter, als gäbe es sie doch.
Da ist es nur ein schwacher Trost, dass auch Menschen wie Kant oder andere irgendwie einen sicheren Punkt konstruieren wollen, an dem sie ihre philosophische oder ethische oder religiöse Auffassung irgendwie absichern woll(t)en.
_Es_ _geht_ _nicht_.
Das für mich Spannende: Wenn man genau hinschaut, hat das Judentum in der Auseinandersetzung mit den umliegenden Kulten und Wissenschaften einen unfassbaren Gott mit einem transzendenten Hoffnungsglauben so konstruiert, dass er das Bedürfnis nach Sicherheit widerspiegelt und doch immer wieder dazu einlädt, an den Widerfahrnissen des Lebens nicht zu verzweifeln, sondern an eine Zukunft zu glauben für die es trotzdem immer noch keine Sicherheit gibt.
Lasst uns das doch entdecken. Und nicht immer wieder von einer scheinbaren Sicherheit her denken, die es nicht nur nicht gibt, sondern auch nicht geben kann.
Zum Abschluss: Wir glauben an den Gott des Lebens. Das bedeutet immer Unsicherheit. Sicherheit gibt es nur im Tod. Da passiert nichts mehr.
Darum wird aber über Gott in einer Ewigkeit nur noch in Paradoxien zu denken und zu reden sein.
Das kann den einen zu der Annahme verführen, es gäbe keinen Gott. Niemand wird das Gegenteil beweisen können.
Der andere wird seine Hoffnung auf Zukunft mit einem Gottesbild ausmalen. Es bleibt ein Bild, das er nicht beweisen kann.
Die Entscheidung, auf Hoffnung zu leben und aus Hoffnung heraus, die muss jede und jeder selber treffen. Möge er auf Eltern und eine Umwelt getroffen sein, die diese Entscheidung möglich gemacht haben. Aber es bleibt je meine Entscheidung, die ich an niemanden delegieren kann. Auch nicht an eine vermeintliche Sicherheit – die es nicht gibt und nicht geben kann. Das zumindest ist sicher. Ich sage ja: Ohne Paradoxien geht es nicht.
(Und dazu gibt es in der Mathematik einen Satz, demzufolge wohl jede selbstbezügliche Verneinung in eine Paradoxie führt. Aber das ist noch ein anderes Thema.)
Ostern steht für unsere Hoffnung. Aber die gibt es nicht ohne ihre größte Infragestellung: Karfreitag.
Aus der Nummer kommen wir nicht heraus. Ich mag meinen christlichen Glauben und seine weisen jüdischen Wurzeln.
Danke Bernd für deine kritische Rückmeldung und deine eigenen Überlegungen! Am Punkt der unmöglichen erkenntnistheoretischen Sicherheit rennst du bei mir und bei Peter offene Türen ein, weshalb ich mich Frage, wie das Missverständnis entstehen konnte, Peter würde sich für Sicherheit in Glaubensfragen aussprechen. Seine mehrbändige Auseinandersetzung mit der Postmoderne hat gerade darin eine entscheidende Pointe, dass sie der sprachphilosophischen Kritik steiler, zeitloser Wahrheitsansprüche recht gibt und sie bis in den Bereich der Naturwissenschaften und Mathematik hinein auszieht. D.h. aber auch, dass man nicht sagen kann «Auferstehung gibt es naturwissenschaftlich nicht». Mit der nötigen Bescheidenheit heutiger Denkvoraussetzungen könnte man das nicht kategorisch ausschliessen. Peter hat sich in einem m.E. enorm einsichtsreichen Aufsatz für eine Offenheit der Systeme gerade im Namen heutiger wissenschaftstheoretischer Einsichten ausgesprochen, schau mal hier: https://www.iguw.de/site/assets/files/2507/hempelmann_heinzpeter_wunder-als-zeichen_iguw.pdf
Ich kann Bernd Kehrens Kritik einfach nur teilen. Auch ich ärgere mich… Sorry. Diese Folge war ein Tiefpunkt, abgesehen von den Bemühungen Manuels Heinzpeter am Schluss ein bisschen entgegenzuhalten. Schade.