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 Lesedauer: 4 Minuten

Glaubensdinge: Mehr als ein Lippenbekenntnis

Janna Horstmann aus dem RefLab hat kürzlich ihre ganz persönlichen Glaubensdinge veröffentlicht. Sie verrät, was «in der Vitrine» ihrer innersten Überzeugungen und Herzenssachen zu finden ist und womit sie eher Mühe hat. Janna verwebt Alltag mit feierlicher Gebetssprache. In einem wilden Himmelsritt hebt sie regelrecht ab:

«Es geht weiter, in den Himmel, über die Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist und das Blau so schön. Die Störche ziehen Richtung Süden … schön hier oben, auf Wiedersehen!»

Zu Jesu’ Auferstehung heisst es in ihrem Bekenntnis:

«Am dritten Tage auferstanden von den vielen Toten. Denen in Gaza und Israel, in Russland und der Ukraine, in Mexico und im Mittelmeer und auf dem Friedhof die Straße runter auf der linken Seite.»

Ich habe nach der Lektüre über meine persönlichen Glaubenshaltungen und Überzeugungen nachgedacht. Und ebenfalls, angelehnt an das vor 1700 Jahren entstandene christliche Urbekenntnis von Nicäa, ein Bekenntnis verfasst. Ich knüpfe dabei an zwei Traditionen an: katholisch und reformiert.

Lieber Lippen bewegen

Ich gehöre nicht zu den Lautbetern, sondern bin eher der Typ, der nur die Lippen bewegt – oder auch bloss zuhört. Als katholisch sozialisierte Christin habe ich das Apostolische Glaubensbekenntnis unzählige Male in Kirchen gehört und gebetet.

Manche Sätze habe ich verinnerlicht, andere blieben fremd.

Ich spürte, dass mir «das Kleid» des Bekenntnisses nur zum Teil passt und ich es eigentlich nicht so gern anzog. Beim Umschneidern stellte ich jedoch fest, dass ich viel mehr übernehmen kann als gedacht. Die Herausforderung war, Formulierungen und Übersetzungen zu finden, die zu meiner Lebenswirklichkeit passen.

Diese ist heute christlich-reformiert.

Hinzu kommen Einsprengsel aus anderen religiösen Traditionen, die längst auch bei uns Heimatrecht haben, etwa Zen. Vom Zen habe ich gelernt, wie wohltuend das stille Sitzen ist, mit offenen Augen und vollkommen geerdet. Und dass das Schweigen geöffnete Sinne bewirkt.

Am Katholizismus mag ich die Madonnen in den Kirchen von Trastevere und das Kitzeln von Weihrauch in der Nase, bei den christlich-Orthodoxen die betörenden Gesänge.

Am Reformiertsein gefällt mir unter anderem die Bekenntnisfreiheit, verstanden als Freiheit nicht vom, sondern zum Bekenntnis.

Glaubenden wird zugetraut – und zugemutet, individuelle Zugänge zu finden. Hier ist:

Mein Bekenntnis

Grosses Du,

unser aller Ursprung,

ich glaube, dass Du da bist,

im Himmel wie auf Erden,

im Alltag wie auch in den Ferien,

in den Tautropfen, in hellen Momenten, in Todesstunden.

Eigentlich immer und überall.

Ich glaube, dass ich erst durch Dich, mein Gegenüber, zum Du werde,

zu Deinem Du und dem Du der Liebsten und Nächsten.

 

Ich vertraue darauf, dass Jesus Christus, der Dich Vater nennt,

der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.

Ich glaube daran, dass er mich zum Göttlichen führen kann,

heraus aus meiner Dunkelheit.

heraus aus übertriebenen Ängsten, Lebenspanik und Selbstverklebung.

Ich glaube, dass Jesu’ Geburt besonders und geheiligt war, wie jede Geburt.

Und dass himmlischer Glanz Mutter und Kind umstrahlte.

Ich glaube, dass bei Mariä Empfängnis Heiliger Geist involviert war,

auch wenn ich keine Details kenne.

 

Ich glaube, dass Jesus Christus ein antikolonialer Widerstandskämpfer war.

So wie es geschrieben steht.

Und dass er anders kämpfte als die Mächtigen seiner Zeit es erwarteten.

Und sie ihn deswegen fürchteten und verfolgten.

Ich glaube, dass Mahatma Gandhi, Chelsea (Bradley) Manning

und Julian Assange Jünger desselben Geistes sind.

Ich glaube, dass es um spirituelle und soziale Befreiung geht.

 

Ich glaube, dass Jesu’ Leiden und Kreuzigung auch etwas mit mir ganz persönlich zu tun haben.

Wenn ich mit zerbrochenen Flügeln am Boden liege,

sei es durch schwere Krankheit, Krieg oder ein verwundetes Herz,

glaube ich, dass sein Vorbild mich aufrichtet.

Ich glaube, dass wir Jesu’ Auferstehung sind.

Ich glaube an ein Leben vor dem Tod.

Und dass Raum und Zeit nichts sind, wogegen wir andauernd ankämpfen sollen,

sondern dass wir innehalten dürfen,

und ruhig und tief atmen. Amen.

 

Call for Poetry

#lyrischglauben hat übrigens zum Thema lyrische Glaubensbekenntnisse einen Call for Poetry gestartet (Einsendeschlus 30. März 2025). Geplant ist eine Auswahl eingereichter Texte zu publizieren. Initiator ist die Forschungsstelle «Sprachkunst und Religion» der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Im Ausschreibungstext heisst es: «Glauben. Ein Wort, das auf der Zunge klebt wie altes Wachs am Kirchenboden. Zuviel Lüge, zuviel Dogma, zuviel alles.»

«Aber was, wenn Glauben etwas anderes ist? Etwas, das sich nicht predigt, sondern fragt, sich zur Frage bekennt …»

Weitere Links

Zu 1700 Jahre Glaubensbekenntnis von Nicäa gibt es einen spannenden Podcast von Andreas Loos und Thorsten Dietz («Geist.Zeit»).

Manuel Schmid und Stephan Jütte haben schon vor einer Weile im Podcast «Ausgeglaubt» ihre eigenen, persönlichen Glaubensbekenntnisse formuliert und diskutiert – ihr findet die Folge zu Manuels Bekenntnis hier, und diejenige zu Stephans hier.

Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash

Alle Beiträge zu «Glaubensdinge»

2 Gedanken zu „Glaubensdinge: Mehr als ein Lippenbekenntnis“

  1. Die Weiterentwicklung vom überlieferten Glaubensbekenntnis zum hier vorgestellten ist sehr in meinem Sinn. Es gehört ergänzt um allerlei weitere Entwicklungen. Zum Beispiel, dass die sog. “Heiligen Zehn Gebote” (2Mose 20) mehr als 10 sind. Noch gravierender, dass das VATERUNSER gemäß Bergpredigt “so” nicht von Jesus stammt, sondern von Matthäus. Auch, dass der Vater “nicht nur im Himmel” existiert, sondern in uns.
    Unter anderem . . .

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    • Dankeschön. Ich habe festgestellt, dass es wirklich fruchtbar sein kann, sich hinzusetzen und es mal aufzuschreiben. Ich kann es sehr empfehlen. Und dann passiert genau, was dein Kommentar zeigt: Es fallen einem noch zusätzliche Sachen ein. Mir ist z.B. noch wichtig, Auswirkungen von Taten (gute, negative, aber auch unterlassene) zu integrieren – wie es im alten Bekenntnis auch der Fall ist, mit dem Hinweis auf das “Gericht”. Aber direkt vom Gericht würde ich nicht gern reden, das wurde (und wird) für meinen Geschmack zu sehr politisch instrumentalisiert.

      Antworten

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