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Du hast eine krasse Aura! Jugendwort 2024

Der Begriff «Aura» hat es zum Jugendwort des Jahres 2024 geschafft, wie auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben wurde. Aber was genau bedeutet «Aura» im heutigen Jugendsprech?

Der Begriff beschreibt eine besondere Ausstrahlung oder Charisma, das einen Menschen umgibt. «Die hat eine krasse Aura» bedeutet, dass eine Person positive Energie und ein gutes Selbstbewusstsein hat, was ihr allgemeine Beliebtheit und auf Social Media viele Herzchen einbringt. Aber auch ein guter Vibe bei einer Party wird mit dem Ausdruck «Aura» charakterisiert:

«Die Party hat eine mega entspannte Aura».

In verschiedenen Kontexten kann «Aura» sowohl als Kompliment als auch negativ verwendet werden. Eine «Minus-Aura» bei einem peinlichen Vorfall macht deutlich, dass das Charisma einer Person leidet. Dann heisst es zum Beispiel:

«Einfach unangenehm, instant -1000 Aura.»

Woher stammt der Begriff?

Ursprünglich kommt der Begriff «Aura» aus dem Altgriechischen und bedeutet «Wahrnehmung eines Lufthauches». Man könnte es auch mit «unbestimmtes Vorgefühl» umschreiben.

In der Esoterik wird «Aura» als Energiefeld um den Körper vorgestellt. Es wird oft als farbige, leuchtende Hülle beschrieben oder abgebildet, die angeblich die emotionale und spirituelle Energie einer Person widerspiegelt. In einschlägigen Kursen werden Interessierte angeleitet, «aurasichtig» zu werden.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es Versuche, die Aura auch fotografisch festzuhalten.

Herausragende Kunstwerke wie die Mona Lisa oder auch Gegenstände wie das Turiner Grabtuch gelten als «auratisch». In der sakralen Kunst sind die Häupter von Figuren wie Jesus und Maria oder von Heiligen häufig von einem strahlenden Kranz oder einer goldenen Scheibe umgeben: dem Heiligenschein oder der Aureole.

Der Ausdruck Aureole ist allerdings nicht von Aura abgeleitet, sondern von Gold, lateinisch: «aurum». Ein anderes Wort für Heiligenschein lautet Nimbus. Nimbus kann auch besonderes Ansehen oder glanzvollen Ruhm bedeuten; abgeleitet ist Nimbus sonderbarerweise vom lateinischen Wort für «dunkle Wolke».

Aura in Kunst und Medizin

Der Philosoph und Kunsttheoretiker Walter Benjamin beschreibt 1935 in einem im Pariser Exil entstandenen Aufsatz «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» Aura als ein «sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit», eine «einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag».

Gemeint war, dass gewisse aufgeladene Originale eine geheimnisvolle Präsenz besitzen. Man steht beispielsweise vor einem besonderen Kunstwerk und hat den Eindruck, dass es bei aller räumlichen Nähe dennoch entrückt wirkt.

Benjamin beschrieb mit seinem Konzept von «Aura» das Phänomen einer einzigartigen Präsenz und Authentizität, die er durch die technische Reproduzierbarkeit durch Fotografie und Film bedroht sah.

Kunstwerke, die in Massenauflagen als Postkarten gedruckt wurden, verloren den Nimbus des Unnahbaren und Besonderen.

Der Philosoph dachte auch an rituelle Gegenstände, die aus ihren Kontexten, beispielsweise Kirchen gerissen werden. Auch hier sah er einen Aura-Schwund, denn Aura hatte für ihn immer eine rituelle Einbindung.

In der Neurologie bezeichnet «Aura» recht profan Wahrnehmungsstörungen und Affekte, denen in der Regel ein Anfall von Migräne oder Epilepsie folgt.

Mehr Aura, mehr Wirkung

In der aktuellen Jugendsprache, insbesonders in Memes in Sozialen Medien, begegnet ein entkontextualisierter Begriff von «Aura». Der Ausdruck wird flexibel verwendet und auch humorvoll und ironisch eingesetzt.

«Aura» ist, wie Likes oder Herzchen in Sozialen Medien, eine Art Währung, die Helden bei ihrer alltäglichen Heldenreise mal mehr, mal weniger zu eigen ist. Je mehr Aura jemand hat, desto erfolgreicher oder beliebter scheint er oder sie zu sein.

Durch coole Auftritte kann man «Aura-Punkte» sammeln.

Aber man kann sie auch wieder verspielen oder sie werden einem genommen; ganz ähnlich wie Figuren in der Welt der Computer- und Rollenspiele Bonuspunkte sammeln oder verlieren.

Tatsächlich entstammt die jugendsprachliche Bedeutung von «Aura» der Welt der Computer- und Rollenspiele.

Gamer bezeichnen mit «Aura» die spezielle Atmosphäre oder das Gefühl, das eine Spielewelt vermittelt. Zudem können Spielfiguren durch den Einsatz beispielsweise von Amuletten eine positive Wirkung erzielen. Auratische Zaubermittel erhöhen die Angriffsstärke oder heilen mit ihrer Aura verwundete Verbündete.

Der Aura-Effekt

Der «Aura-Effekt» ist ein Mechanismus beim Gamen, wo der Status oder die Belohnungen eines Nutzers die Spieler um ihn herum aufwertet und ihnen zugute kommt. Ein Mitglied einer Gaming-Community, das eine hohe Stufe erreicht, verfügt über ein einzigartiges «Power-Up». Aufgrund des erhöhten Status dieses Spielers profitieren auch andere in seiner Nähe.

So verstandene «Aura» gehört einer kompetitiven Welt der Wettbewerbe, Schlachten und Siege an.

Es ist kaum verwunderlich, dass der Begriff auch schon in die Sportsprache Eingang gefunden hat, zum Beispiel in den Fussball. In einem Artikel der «New York Times» über den niederländischen Fussballspieler Virgil van Dijk hiess es, dass seine Fehler aufgrund seiner beeindruckenden Aura leicht verziehen werden.

«Van Dijk‘s mistakes can be dismissed because, basically, he has an aura.»

«Van Dijks Fehler kann man vernachlässigen, weil er eine Aura hat.»

So, wie viele Aura-Points hast du?

Das Jugendwort des Jahres 2024 verrät etwas vom Selbstverständnis junger Menschen und von ihrer Kommunikation.

Während die Aura der Esoterik durch helle oder verdunkelte Farbigkeit etwas über das innere Wesen oder den spirituellen Zustand eines Menschen offenbart, scheint es im jungendsprachlichen Gebrauch stärker um die äusserliche Wirkung oder die Performance einer Person zu gehen.

Fehler oder charakterliche Mengel trüben die Aura nicht unbedingt, sondern eine «starke Aura» überstrahlt sogar Fehltritte, wie das Beispiel von Virgil van Dijk zeigt.

Die technische Reproduzierbarkeit und Vervielfältigung lässt Aura nicht notwendig schwinden, wie Walter Banjamin vermutete, sondern ändert ihren Charakter und ihre Bedeutung.

In der Gamer- und Jugendsprache ist Aura weniger ein Geschenk der Götter, sondern hat mit Challenge zu tun und kann auch Resultat gelungener Selbstoptimierung sein.

Die «Aura» erscheint formbar und aufladbar wie eine Batterie.

Durch die inflationäre Verwendung des Begriffs und seine digitale Ventilierung in Sozialen Massenmedien wird freilich gerade dasjenige zerstört, was Aura und das Auratische ursprünglich ausmachte: dass es etwas Einzigartiges, Gemheimnisvolles und Unverfübares ist.

Foto von Cottonbro Studio auf Pexels

1 Gedanke zu „Du hast eine krasse Aura! Jugendwort 2024“

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