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Dorothea Weltecke: Wie Religionen auch ohne «Toleranz» zusammenleben können

Eine ihrer Thesen in «Die drei Ringe. Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind» (München 2024) lautet, dass die drei monotheistischen Religionen sich erst in einer langen gemeinsamen Geschichte mit- und gegeneinander entwickelt haben. Dabei lässt sich das, was sie verbunden und unterschieden hat, nicht mit einem heutigen Begriff von «Religion» fassen. Es ging in ihnen weniger um Glauben, Lehre und persönliche Überzeugung, als um ein gemeinsames Tun, rituelle Regeln und Gesetze, Treue zu einer Tradition. (Für viele religiöse Menschen außerhalb Europas ist das immer noch so.)

Das Mittelalter war viel bunter und diverser, als wir uns heute vorstellen. Wie gingen die Menschen damals mit der Tatsache um, dass andere Menschen anderen Traditionen folgten? Dazu erzählt Weltecke von den Reiseerlebnissen, die zwei christliche Mönche aus Uigurien, ein muslimischer Pilger und ein reisender Rabbi aus Regensburg im 12. und 13. Jahrhundert gemacht haben. Oder sie sammelt, sortiert und deutet die vielen und erstaunlich unterschiedlichen Varianten der berühmten «Ringparabel», die man sich früher in vielen Kulturen erzählt hat.

In diesem Buch geraten beliebte europäische Meinungen ins Wanken. Zum Beispiel die Vorstellung, dass erst die europäische Moderne die Toleranz erfunden habe und die Zeiten vorher nur von Religionshass und -gewalt geprägt gewesen seien. Oder das Klischee, dass es vor der europäischen Aufklärung keine Formen und Strategien des religiösen Zusammenlebens gegeben habe. Oder, dass Absolutheitsansprüche und Kontroverstheologien immer gewaltträchtig seien. Die Irritationen, die Welteckes Buch auslöst, sind gerade heute so wichtig, da die europäische Moderne immer mehr als ein Sonderweg erscheint, den weite Teile der Welt nicht nachvollziehen werden. Kann man vom Mittelalter etwas darüber lernen, wie verschiedene Religionen friedlich miteinander leben können?

2 Gedanken zu „Dorothea Weltecke: Wie Religionen auch ohne «Toleranz» zusammenleben können“

  1. Den religiös oder politisch anders Orientierten respektieren für seine Art, sich und dem Weg (buddh. Tao) treu zu sein, SELBST wenn ich denke, dass mein Weg und meine Weltsicht die richtigen sind und der andere komplett daneben liegt. Aber ansonsten gar nicht erst versuchen, religiöse Gemeinsamkeiten zu finden oder auch nur das Thema anzuschneiden: Ich kann mir vorstellen, dass das auch bei Fällen von religiöser Diversity am Küchentisch funktionieren könnte (darum gehts in der TheoLounge kommende Woche anlässlich der «Woche der Religionen»). Aber was ist, wenn der anders-Religiöse oder anders-Konfessionelle mich einfach nicht sein lässt, mir vielleicht sogar das Christsein abspricht und mich gleichzeitig bearbeiten und missionieren will? Es also von der anderen Seite an Respekt (oder ich weiss nicht an was?) fehlt? Trotzdem versuchen, den Weg des anderen zu respektieren und dem Thema Religion möglichst aus dem Weg zu gehen …? Würde mich interessieren, ob jemand Best Practice Beispiele kennt.

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    • Ja, ganz ohne einen modernen Toleranzbegriff, einen echten Respekt vor dem Anderen des anderen wir es nicht. Ich fand den Hinweis auf mittelalterliche Formen des Einander-Ertragen aber deshalb so sinnvoll, weil “wir” zu oft Prinzipien der europäischen Aufklärung voraussetzen, die anderen ganz fremd sind.

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