Wir können uns an vieles gewöhnen: Strassenlärm, früh aufstehen oder dass man auf jeder Webseite Cookies ablehnen muss. Die menschliche Anpassungsfähigkeit ist wohl meistens eine Stärke. Doch offensichtlich hat sie sich so weit entwickelt, dass wir uns sogar an den Gedanken gewöhnt haben, dass ein angenehmes Leben nur auf Kosten von anderen möglich ist.
Am 9. Februar stimmen wir in der Schweiz national über die Umweltverantwortungsinitiative ab. Es überrascht mich nicht, dass die Initiative viel Gegenwind erhält. Die Ziele sind ambitioniert: Saubere Luft, Böden und Gewässer. Innerhalb von zehn Jahren müssen Massnahmen eingeführt werden, damit die Schweiz natürliche Ressourcen nur so weit verbraucht, wie es die Umwelt ertragen kann. Ertragen.
Nicht: Damit wir in einem grünen Paradies leben. Sondern: Damit die Natur mit ihrer milliardenköpfigen Familie und ihren zehn Nebenjobs nicht erschöpft zusammenbricht und ihre Kinder hungrig zurücklässt.
Gratis-Rohstoffe
Für die Schweiz bedeutet das vor allem, dass Klimaemissionen zurückgehen müssen. Die grössten Hebel dafür liegen bei Politik und Wirtschaft: Umweltkosten müssen endlich eingerechnet werden, bei Produktion und Lieferketten. Wissenschaftler:innen warnen schon lange davor, dass die Natur an ihrer Belastungsgrenze angekommen ist.
Während Unternehmen vom «Material» profitieren, das die Natur ihnen «gratis» zur Verfügung stellt, werden die Schäden, die dadurch längerfristig entstehen, von der Allgemeinheit getragen.
Die Initiative zielt darauf ab, dass diejenigen, die für Umweltschäden verantwortlich sind, diese auch bezahlen.
Für die Bevölkerung bedeutet das: Fliegen und Fleischkonsum würde teurer, ökologisches Heizen und Mobilität müssten vorangetrieben werden. Klar: Das bedeutet Einschränkungen und deshalb überraschen mich die Umfragewerte nicht (Jüngste SRG-Umfrage: 61 Prozent Nein).
Bloss keine Einschränkung
Aber es erschüttert mich, wie selbstverständlich Medien und Einzelpersonen den Gedanken aussprechen, dass unser Wohlstand nun mal darauf aufbaut, dass andere darunter leiden (siehe zum Beispiel diesen Beitrag).
Als im spanischen Valencia ausgetrocknete Böden von Starkregen fortgerissen wurden, verloren Hunderte Menschen ihr Leben und Tausende ihr Zuhause. Das ist eine Tragödie, keine zu vernachlässigende Begleiterscheinung. Vor diesem Hintergrund sollten wir darüber sprechen, wie viele Einschränkungen wir bereit sind zu tragen.
In der Schweiz würde wohl schon der Hauch der Gefahr einer Einschränkung ausreichen, um einen Vorschlag kategorisch abzulehnen. Dies belegen vorangegangene Abstimmungen.
Gewöhn dich dran!
Ein bisschen zuversichtlich stimmt mich die ganze Sache dennoch: Wir konnten uns daran gewöhnen, dass Unternehmen profitieren, während die Allgemeinheit bezahlt. Dann werden wir uns auch daran gewöhnen, dass irgendwann die Sommermonate nur noch in den Bergen erträglich sind.
Oder dass das Versicherungssystem irgendwann unter den Milliardenschäden durch Überschwemmungen und Ernteausfällen zusammenbricht.
Die Menschheit konnte sich schon an so vieles gewöhnen – wir werden also auch mit Einschränkungen klarkommen, die uns die erschöpfte Natur auferlegt.
Die Theologin und Pfarrerin Anna Näf engagiert sich für Christian Climate Action. Sie schrieb für RefLab die Klimakolumne «Planet A».
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