Dein digitales Lagerfeuer
Dein digitales Lagerfeuer
 Lesedauer: 4 Minuten

Die Kraft deiner Stimme

Schon ab einem Alter von circa zwei Monaten beginnen wir, unsere Stimme zu entdecken. Brabbeln, gurren, erzeugen Laute. Und irgendwann dann lernen wir, zu sprechen.

Was so frei und spielerisch, neugierig beginnt, wird von den meisten Eltern früher oder später in bestimmte Bahnen geleitet. Wie ein Bach, der begradigt wird. Spätestens, wenn wir mit etwa zwei Jahren beginnen, aus vollem Hals zu töibelen, ist fertig mit jö und herzig.

Wir lernen, unsere Stimmen zu bändigen, lernen «indoor voice», lernen uns anzupassen, zu filtern. Schreien nicht mehr. Halten uns zurück.

Zum Teil so sehr an, dass unsere Stimmen verkümmern. Wie Pflanzen, die keine Zuwendung in Form von Wasser und Licht bekommen.

Kontrolle statt Freiheit

Wie vielen Menschen begegne ich, in deren Stimme mit jedem Ton Anstrengung mitschwingt. Wie viele Menschen haben verlernt, sich frei und klar auszudrücken. Ich höre, wie viel da kontrolliert und unterdrückt wird und es tut mir beinah weh.

Vor einigen Monaten begann ich, bei meinem Nachbarn, dem Musiker Dom Lampa, Stimmlektionen zu nehmen.

Nicht weil ich singen wollte, sondern weil ich merkte: Auch ich sage nicht immer das, was ich eigentlich sagen möchte. Habe bitz Mühe damit, das Leben klar und direkt durch mich durch sprechen zu lassen.

Weil da eben, all die Normen und «mer sött» ume sind, Prägungen aus diesem Leben – und wohl vielen tausenden zuvor.

Diese subtile Blockade im Hals

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass ich mich mit meiner Stimme befasse, bei Weitem nicht. War ich doch lange Jahre Radiojournalistin, die ihre Sendungen selbst gesprochen hatte – und auch der Yogaunterricht verlangt eine sichere und angenehme Stimme. Dennoch, der Aspekt des «äfach säge wis isch» stand nie so im Zentrum wie jetzt.

Da war diese subtile Blockade im Hals, so häufig. Wie ein eingebauter Filter, den du zunächst gar nicht bemerkst, weil du einerseits so daran gewohnt bist und er andererseits auch fein genug ist, um sich im Hintergrund irgendwo zu verstecken. Diese Angst, was Falsches zu sagen, dass etwas in den falschen Hals gerät.

Was, wenn die mich dann blöd finden.

Ich bin keine scheue Person, wüki nöd, trotzdem: In manchen Situationen war es, als würde ich lieber sterben, als direkt zu sagen, was in mir gerade tatsächlich vorgeht.

Sich liebevoll anschauen

So dauerte es in den Lektionen mit Lampa einen Moment, bis ich mich wirklich getraute, die volle Kraft meiner Stimme rauszulassen. Keine Angst mehr hatte vor einem «falschen» Ton. Mich in meine Stimme reinzusetzen und nicht irgendwo auf halbem Weg abzuhauen.

Dieser Prozess war vor allem einer, der sich darum dreht, sich der Angst zu stellen. Sie anzuschauen, liebevoll, völlig OK bist du hier, dennoch hast du nicht Recht.

Diese Arbeit hat so viel damit zu tun, sich nicht mehr zu verstecken. Mich noch mehr so zu zeigen, wie ich bin. Klar, ungefiltert, in einer Direktheit, die nicht allen gefällt. Muss sie auch nicht.

Spiel mit deiner Stimme!

Etwas, was ich aus der Bewegung sowie aus der Meditation schon so gut kenne: Dabei bleiben, präsent sein mit dem was ist. Doch das Einbeziehen der Stimme hat nochmals ein neues Türli geöffnet, erlaubt noch mehr Freiheit und Ausdruck.

Es ist so ein gutes Gefühl, einfach da zu stehen, voller Fehler und Eigenheiten, falsche Töne und zu wissen: So ist es gut.

Ich erzähle das, um dich zu inspirieren, dich ebenfalls mit deiner Stimme auseinanderzusetzen. Mit ihr zu spielen. Sei das in der Form von lustigen Geräuschen, die du aus dir herauskommen lässt, wenn du irgendwo draussen spazierst oder auf dem Velo sitzt, vielleicht ein Mitsingen mit deinen Lieblingsliedern.

Oder auch ein genaueres Hinschauen darauf, was du denn wirklich sagst, wenn du sprichst. Und was eben nicht. So entdeckst du nadisna die unglaubliche Kraft deiner Stimme.

Laut Gesprochenes wird gelebte Realität

Der bewusste und präsente Einsatz der Stimme bekommt etwas Magisches. Morgengebete, die laut gesprochen werden, verwandeln sich in gelebte Realitäten.

Zum Beispiel: «Ich wünsche mir heute viel Raum, um von A nach B zu kommen.»

Voll verkörpert und ausgefüllt gesprochen, tauchen die Worte später im Tag als Tatsache auf. Fasch echli wie Zaubersprüche. Krass, nicht?

Natürlich ist das keine ZaggZagg Angelegenheit, wir brauchen eine grosse, grosse Offenheit und ufenart Leere, damit die Worte so unmittelbar auf fruchtbaren Boden fallen können. Wie Samen.

Ich steh bloss hier und weise mal wieder mit grosser Begeisterung auf etwas hin, was für alle möglich ist. Voller Enthusiasmus, meine Entdeckungen weiterzuteilen, auf dass sie ebenfalls wie Samen auf fruchtbaren Boden fallen mögen.

Lampa und ich haben uns übrigens zusammengetan für eine Immersion, die sich genau diesem Thema widmet; hier ist die Einladung dazu zu finden. Ich freue mich, dort auch ein paar Hörer:innen und Leser:innen von Holy Embodied anzutreffen!

Foto von Patrick Fore auf Unsplash

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