Die moderne Lebensweise des Menschen hat eine ökologische Krise heraufbeschworen, welche die Atmosphäre und Biosphäre unseres Planeten in Mitleidenschaft zieht und unsere eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören droht. Das «Anthropozän» ist eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für unser vom Menschen tiefgreifend und nachhaltig gezeichneten Zeitalter.
Gegen diese Terminologie erheben allerdings nicht nur zahlreiche Stratigrafen (Experten für Schichtenkunde) Einspruch, sondern etwa auch die Wissenschaftshistorikern Donna Haraway: Sie will lieber von einem «Chtuluzän» sprechen – einem Zeitalter, das den Menschen vielschichtig mit der nichtmenschlichen Schöpfung verflechtet. Heilung und Wiederherstellung geht nicht einseitig vom Menschen aus, sondern von einem Verständnis für die zahlreichen Abhängigkeiten und die eigene Einbindung in ein komplexes Ökosystem.
Manuel ist von Haraways Thesen sehr angetan, und er diskutiert mit Stephan des weiteren über die Frage, ob und wie die biblische Apolalyptik und die Rede vom Gericht Gottes hilfreich sein kann, um Menschen wachzurütteln und zu aktivieren. Schliesslich kommt auch der Zusammenhang von Diesseitsbewältigung und Jenseitshoffnung zur Sprache – konkret die Verbindung der Auferstehung Jesu als Einbruch einer neuen Welt in diese alte Schöpfung und der Motivation, nicht nur auf eine himmlische Ewigkeit zu warten, sondern in der Gegenwart schon für (Umwelt-)Gerechtigkeit zu kämpfen…
Eine angeregte, eigenwillige und wendungsreiche Folge – viel Spass!
4 Gedanken zu „Das ökologische Bewusstsein und die apokalyptische Ära des Anthropozäns“
Vielen Dank für diese anregende Folge.
Mir kam der Gedanke, dass Bedrohung ein elementares Wesensmerkmal des (Mit)Geschöpf-Seins ist, auch im Heideggerschen Sinn. Die Versuche, diese Bedrohungslage zu schmälern oder gar aufzuheben, schafft dem Mitgeschöpf Mensch nicht nur noch mehr und komplexere Bedrohungen, sondern degeneriert zugleich dieses wichtige Merkmal des Mitgeschöpf-Seins. Im Versuch, sich aus dem Netz der Bedrohungen zu befreien, verheddert sich der Mensch immer mehr darin.
Die biblische Apokalypse als “Jetzt-Zustand” der aus der Balance geratenen Welt (Ökologie und Ökonomie) zu verstehen hieße dann aber auch, sie immer schon als “Jetzt-Zustand” zu verstehen. So war imho die Sklaverei auch ein Zeichen einer aus der Balance geratenen Welt. Apokalypse wäre dann nicht ein Zustand, der noch zunehmend kommt, sondern der irgendwie schon immer da war.
Das Reich Gottes als Gegenentwurf zur apokalyptischen Welt deutete sich imho ebenfalls schon viel früher an (Sozialkritik der Propheten) und fand in Jesus ihre Konkretion. In dem Sinne dürfen und sollen Christen an der Realisierung des Reichens Gottes mitwirken, die die ökonomische und ökologische Welt einbezieht. Der Versuch, das Reich Gottes zu entweltlichen entspringt der Überhöhung des Geistigen/Geistlichen über das Materielle.
Vielen Dank lieber Sven-Erik für den anregenden Kommentar! Und ja:Apokalypse als Gegenwart macht Sinn!
Zu eurer Diskussion um Rechte der Natur passt auch ausgezeichnet die Sternstunde Philosophie mit Bayo Akomolafe – Wie wir aus der Krisenspirale herausfinden.
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Superschöne und wichtige Folge, danke Manu und Stephan fürs Zusammendenken von Haraways „Staying with the Trouble“, Taxacher und einer Theologie der Erde. Damit kann man arbeiten, daran lässt sich anknüpfen!