„Ich würde ja gerne an die Auferstehung glauben, aber es ist schon zu lange her. Man kann es nicht mehr überprüfen.“ Mein Sohn war Primarschüler, als er mich danach fragte. Nicht nur Kinder denken so.
Und nicht erst heute, sondern schon in der Bibel ist die Auferstehung von Fragezeichen umstellt. Bei Matthäus wird das Gerücht abgewehrt, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen, um dann angesichts des leeren Grabs seine Auferstehung zu behaupten. Bei Markus fliehen die Frauen vom leeren Grab „starr vor Angst und Entsetzen“. Und Lukas berichtet von zwei Jüngern, die den auferstandenen Jesus auf ihrem Weg nach Emmaus nicht erkannten.
Obwohl die neutestamentlichen Texte aus der Gewissheit der Auferstehung geschrieben wurden, bleiben sie durchsichtig für die Skepsis, die sie auslöst. Als ob sie immer wieder überwunden werden müsste. Damit nicht geschieht, wovor Paulus sich in 1. Korinther 15 fürchtet: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube.“ Voll ist der Glaube, wenn die Skepsis überwunden und wenn an die Auferstehung geglaubt wird.
Damit der Glaube voll ist, müssen Christen zu allen Zeiten den Weg, den sie zurücklegen, um bezüglich der Auferstehung gewiss zu werden, in Worte und Bilder fassen. Und zwar in solche, die ihnen selber helfen, die eigene Skepsis zu überwinden.
Heute wird dieses gewiss Werden zum Ausdruck gebracht, indem die Auferstehung als Tatsache geglaubt wird: Jesu Tod am Kreuz, das leer Grab, der auferweckte Jesus – alles Tatsachen. Das fügt sich gut in die heutige Welt ein, die nur Tatsachen kennen will. Aber die Skepsis, dass es sich bei der Auferstehung nicht um eine Tatsache, sondern um eine irrationale Behauptung handelt, bleibt bestehen. Andere bringen das gewiss Werden zum Ausdruck, indem sie Auferstehungs-Erfahrungen in alltäglichen Erfahrungen aufleuchten lassen. Auch das fügt sich gut in die heutige Welt ein, weil alles Irrationale vermieden wird. Hier bleibt die Skepsis, dass das, was da aufleuchtet, zu banal ist, um von dem zu erzählen, was mit der Auferstehung gemeint ist.
Damals machten die Jüngerinnen und Jünger gleichzeitig zwei sich ausschliessende Erfahrungen: Jesus ist tot. Jesus lebt. Sie konnten sich diesen Widerspruch nur mit der Vorstellung erklären, dass er von Gott auferweckt worden war. Die Gewissheit, dass das, wofür Jesus gelebt hatte, weiter lebt und gilt, war stärker als die Enttäuschung darüber, dass mit seinem Tod alles zu Ende ist. Diese Gewissheit half ihnen, die Skepsis der Enttäuschung zu überwinden.
Heutige Skepsis entzündet sich am modernen Weltbild. Als ob es uns daran hindert, Erfahrungen vom gewiss Werden auszusagen. Das versteht man auf der Ebene des Weltbilds: Geht es doch bei der Auferstehung um etwas, das sich nicht aus der Welt erklären lässt und sie doch betrifft. Im modernen Weltbild aber gibt es kein Aussen, das in die Welt hineinwirkt.
Gleichzeitig gibt es in Büchern und Filmen unzählige Auferstehungsgeschichten. In Pasolinis Teorema kommt ein fremder Gast in eine Industriellenfamilie und auferweckt jedes Familienmitglied in ein neues Leben. In von Triers Breaking the waves läuten am Schluss die Glocken im Himmel über dem von seinen Leiden auferstandenen Protagonisten. In der Fiktion scheint möglich, was intellektuell unglaubhaft wirkt. Und die Menschen – ob gläubig oder nicht – schauen sich die Filme an, als ob sie nahtlos daran anschliessen könnten. Als ob sie begriffen, worum es dabei geht. Weil sie Geschichten von Menschen erzählt bekommen, die sie anziehen, faszinieren und bewegen. Ob diese Geschichten fremd oder nah sind, spielt keine Rolle.
Was mich an der biblischen Auferstehungsgeschichte anzieht und bewegt, ist das Paradox, das Kreuz und Auferstehung gemeinsam bilden: Er ist tot. Er lebt. Oder genauer, dass dieses Paradox nicht aufgelöst wird. Es geht nicht weiter, als ob es den Tod nicht gegeben hätte. Das schafft eine grosse Nähe zu Tod, Trauer, Verzweiflung, Enttäuschung und Wut, weil es sie gibt. Auch in meinem Leben. Auch für mich.
In dieser Nähe, im Verweilen und Aushalten liegt der Trost, bei dem zu sein, was ist. Und gleichzeitig auf den Widerspruch der Auferstehung zu hören: Zu überwinden.
Dazwischen liegt der Ort, an dem die Hoffnung keimt.
In der Bibel wird sie bebildert: „Und abwischen wird er jede Träne von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, und kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal wird mehr sein; denn was zuerst war, ist vergangen.“ (Offenbarung 21,4) Das begreift jedes Kind. Und die Erwachsenen auch.