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Allwissenheit: Weiß Gott alles?

So wie die Aussage «Gott kann alles!» eine populäre Kurzdefinition der Allmacht Gottes ist (vgl. den Beitrag zum Begriff der «Allmacht»), so könnte man die Allwissenheit Gottes im Satz zusammenfassen:

«Gott weiß alles.»

Und wieder könnten wir nachbohren: Heißt das also, es lässt sich keine Frage formulieren, die mit «Weiss Gott…» beginnt, auf die wir mit «Nein, das weiß er nicht!» antworten müssten?

Was genau ist mit anderen Worten in diesem «alles» enthalten, das Gott weiß?

Die Antwort darauf scheint naheliegender zu sein als im Falle der Allmacht. Es geht bei der Allwissenheit ja nicht um die Frage nach der Summe dessen, was Gott wissen kann, sondern nach der Summe dessen, was Gott tatsächlich weiß. Während Gott in seiner Allmacht nicht notwendigerweise alles tut, was er tun könnte, weiß er in seiner Allwissenheit aber notwendigerweise alles, was es zu wissen gibt – und das ist natürlich alles, was wahr ist.

Es schränkt Gottes Allwissenheit demnach nicht ein, zu sagen: Gott weiß nicht, dass ein Papagei auf meiner Schulter sitzt – solange nicht tatsächlich ein Papagei auf meiner Schulter sitzt. Die Aussage «Es sitzt ein Papagei auf meiner Schulter» entspricht schlicht nicht der Wahrheit, darum ist Gottes «Unkenntnis» davon auch keine Einschränkung seiner Allwissenheit. Man kann das auch abkürzen und einfach festhalten:

Gott kann sich nicht irren.

Es ist nun allerdings keineswegs ausgemacht, wie es um die Wahrheit von Ereignissen steht, die noch gar nicht eingetreten sind. Ist es jetzt schon wahr, dass sich morgen ein Papagei auf meine Schulter setzen wird – auch wenn ich noch unentschlossen bin, ob ich den Zoo überhaupt besuchen möchte?

Wie man darauf antwortet, hängt entscheidend vom eigenen Verständnis der Zukunft ab. Steht die Zukunft als definitiver Ereignisverlauf eigentlich schon fest, aber wir kennen sie als begrenzte Wesen einfach (noch) nicht? Dann dürfen wir davon ausgehen, dass sie Gott längst in allen Einzelheiten bekannt ist. Begreifen wir die Zukunft dagegen als einen «Baum» offener Möglichkeiten, dann kann sie auch nur als solcher bekannt sein:

Gott selbst weiß um die Zukunft dann nicht im Sinne eines für ihn schon eindeutigen Ereignisverlaufes, sondern im Sinne eines weit verzweigten Systems möglicher (und mehr oder weniger wahrscheinlicher) Ereignisverläufe.

Dabei geht es nicht um eine Einschränkung der Allwissenheit Gottes, sondern um eine Qualifizierung dessen, was überhaupt gewusst werden kann: Der Streitpunkt ist nicht die Frage, ob Gottes Wissen vollkommen ist, sondern die Frage nach der Realität, auf welche sich Gottes vollkommenes Wissen bezieht. Eine ganze Reihe von TheologInnen bekennen darum überzeugt die Allwissenheit Gottes und halten auch daran fest, dass Gott die Zukunft kennt – aber eben als das, was die Zukunft gegenwärtig tatsächlich ist, nämlich die Realität offener Möglichkeiten. Einige dieser Möglichkeiten werden im Zuge der Geschichte Gottes mit dem Menschen aktualisiert.

Dann sind sie geschlossene Fakten – vorher waren sie offene Möglichkeiten.

 

Dieser Beitrag ist einer von mehreren theologischen Exkursen, die im Büchlein «Gott hat keinen Plan für dein Leben… Aber 1’000 Möglichkeiten, mit dir ans Ziel zu kommen» eingestreut sind. Das ist keine theologische Abhandlung für Fachkreise, sondern ein kurzes, mit vielen Geschichten und reichlich Humor gespicktes Buch für jedermann/jedefrau. Es macht Mut, in einer komplexen Welt nicht an der Vielzahl von Möglichkeiten zu verzweifeln und auch nicht nach dem einen (!) Willen Gottes zu suchen, sondern zuversichtlich nach vorne zu scheitern…: Bestellbar direkt beim Verlag und überall wo’s Bücher gibt.

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2 Gedanken zu „Allwissenheit: Weiß Gott alles?“

  1. Der Schöpfer, raumlos, zeitlos, im hier und jetzt. Der Schöpfer kennt weder gut noch böse, weder schön noch hässlich, weder dumm noch intelligent, weder gestern noch morgen. Diese Dualität macht der Mensch. Der Schöpfer manifestiert sich in der Schöpfung, in Raum und Zeit, in jedem Atom, im Kosmos. Was interessiert Gott die Vergangenheit und die Zukunft?

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  2. Lieber Manuel
    Dieser Ansatz entzieht aus meiner Sicht dem Glauben den Boden.
    Die Aussage von Jesus am Kreuz zum Mörder (“Heute wirst du mit mir im Paradies sein”) wäre in dem Fall absurd und es gäbe (auch für uns) keine Auferstehungshoffnung.
    Es muss einen besseren Weg geben, das Leiden mit einem liebenden Gott in Einklang zu bringen.
    Es würde mich sehr freuen, wenn du auf meinen Kommentar antwortest.
    Mathias

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