Wer hätte vor ein paar Jahren geahnt, dass der reichste Mann des Globus mit dem politisch einflussreichsten zusammenspannt? Also, ich bestimmt nicht. Aber das Land der ungeahnten Möglichkeiten hat es doch möglich gemacht.
Wird diese Cyber-Bromance zwischen Donald Trump und Elon Musk längerfristig bestehen?
Schauen wir doch in die Zukunft und stellen Hypothesen auf, wie es ausgehen könnte.
Die folgenden Zukunfts-Hypothesen können ineinanderfliessen (z. B. von 1. zu 2. und dann bei 4. enden) oder voneinander inhaltlich abweichen. Ihr könnt gerne weitere Optionen in der Kommentarspalte hinzufügen, mir widersprechen oder mich bestärken.
Es ist vielleicht für die aktuelle Lage symptomatisch: Ich kann mich eigentlich nicht wirklich für eine einzige Hypothese entscheiden, sie sind für mich gleich wahrscheinlich.
1. Die einseitige Abhängigkeit
«Das Ministerium für Effizienz» wurde bereits von Elon Musk und Donald Trump medial vorgestellt. Und würden wir George Orwells «1984» nicht kennen, dann fänden wir diese Bezeichnung und Initiative vielleicht noch lustig. Im dystopischen Roman aus dem Jahr 1949 gibt es in London ein «Ministerium für Wahrheit», wo alte Zeitungsberichte so modifiziert werden, dass sie konform mit der Parteilinie sind.
Elon Musk darf man als Unternehmer, der effizient durchgreift, nicht unterschätzen:
Er hat eine gut gefüllte Kasse, Produkte in der Pipeline (wie z. B. Hochgeschwindigkeitsverkehrssysteme, Elektroautos, Roboter und eine KI), die zunächst amerikanische Städte und dann die gesamte USA verändern können.
Ich habe bereits in einem anderen Beitrag über Musks Parallelen zur Comic-Figur Anthony Edward «Tony» Stark («Iron Man») geschrieben, dem Multimilliardär und genialen Erfinder, den man nicht bändigen kann. Tony Stark würde sich jedoch aus politischen Ämtern raushalten, weil er als Erfinder mehr bewirken kann.
Die Vorstellung, dass alle Probleme dieser Welt technologisch gelöst werden können, ist zwar nicht neu. Sie erhält aber mit Elon Musk einen zeitgenössischen Akteur, der mediale Macht besitzt, ein Macher ist und nun auch politisch etwas zu sagen hat.
Man darf auch nicht ausser Acht lassen, dass Donald Trump je nach Quelle bis zu 1.8 Mrd. US-$ Schulden hat. Auf der anderen Seite gibt es dagegen jemanden, der nicht weiss, wie er sein Vermögen ausgeben kann (ca. 300 Mrd. US-$).
Dies könnte zu einer einseitigen finanziellen Abhängigkeit führen, bei der anschliessend Interessenskonflikte eine Rolle spielen. Wenn Elon Musk die selbstfahrenden Tesla-Autos auf breiter Basis einführen will, dann wird es aus regulatorischer Sicht zukünftig gewiss weniger Hürden auf seinem Weg geben.
Könnte sich aber Elon Musk für die nächste US-Präsidentschaft in Stellung bringen? Für das Amt des Präsidenten ist keine Person wählbar, die nicht gebürtiger Staatsbürger ist. Musk ist im südafrikanischen Pretoria zur Welt gekommen, kann somit gemäss der aktuell geltenden Verfassung der USA nicht kandidieren.
2. Die cybertechnokratische Utopie
Elon Musk und Donald Trump: eine Bromance mit Bestand und mit Win-Win-Charakter. Was Elon sagt, wird von Donald umgesetzt. Und was Donald meint, wird von Elon berichtigt oder ergänzt.
Bei diesem Szenario werden sie harmonieren und sich wechselseitig besser machen.
Elon wird neue Firmen gründen (im Bereich Batterien und Solar-Panels, Robotik, E-Health, Tiny Houses usw.) und IPOs lancieren, bei denen Donald als Teilhaber mittun kann. Und gemeinsam werden sie deregulieren und alles aus dem Weg räumen, was ihre Ideen und Absichten stoppen könnte.
Die Korruption wird bekämpft, die Bürokratisierung reduziert.
Und mit einem KI-Schub werden sie die Wirtschaft ankurbeln und die Menschen in den USA von der Armut befreien.
Damit die Gesellschaft effizienter wird, muss aber auch die Überwachung verstärkt werden. Kameras gibt’s genug, sei es in Teslas-Autos, Haus-Robotern oder einer neuen Smartphone-Marke, die Elon Musk bald lancieren wird.
Aber das wird ethisch kein Problem sein, weil am Schluss die technologische Erlösung auf das amerikanische Volk zukommt. Wer mitmacht, wird honoriert, wer hingegen nicht mittun möchte, kann auswandern.
3. Politischer Streit und zunehmende Unberechenbarkeit
Man nehme eine gute Portion Selbstbewusstsein, füge narzisstische Qualitäten bei und mische grosszügig Unberechenbarkeit dazu. Diese Teigmischung kann auch schnell ungeniessbar werden.
Donald Trump und Elon Musk werden wöchentlich für eine Überraschung gut sein. Politische Freunde könnten augenblicklich zu Feinden werden. In feindlichen Nationen könnten Teslas nicht mehr fahren, in gewissen Ländern dagegen Satellitensysteme nach eigenem Ermessen auf- und abgeschaltet werden.
Was du dir in dieser neuen Cyber-Welt ausdenken kannst, ist theoretisch auch möglich.
Aber es ist zu erwarten, dass sich Trump und Musk bei einzelnen konkreten Anliegen nicht einig sein werden. Wer wird dann gewinnen?
Bei einem politischen Ausschluss von Elon Musk wäre ich sehr neugierig zu beobachten, ob er auf X seinem politischen Ex-Freund immer noch eine mediale Plattform geben würde.
Würde Elon Musk die Fahne der freien Meinungsäusserung immer noch hochhalten? Immer noch X für den Ex?
Die Bromance würde als Rosenkrieg enden (aber ohne die Bezahlung von Alimenten).
4. Schutt und Asche
Die politische und gesellschaftliche Realität ist komplizierter als es unsere Wunschvorstellungen sind: Menschen, sei es aus Politik oder aus dem Volk, sind unberechenbar und hegen ebenfalls egoistische Ziele.
Dazu kommen auch die Interessen anderer Nationen (und Bündnisse), die nicht mit denjenigen der Vereinigten Staaten übereinstimmen müssen.
Der Ukraine-Krieg kann nicht in ein paar Wochen beendet werden und die Klimakrise lässt sich auch nicht nach eigenem Gutdünken aufhalten. V. a. dann nicht, wenn sie geleugnet wird.
Gemäss diesem Szenario werden die USA eine isolationistische Wirtschaftspolitik des «America First» betreiben, sich militärisch von der Weltbühne raushalten.
Die Wirtschaft wird nicht so schnell wachsen, wie zunächst erhofft, die Armut weite Bevölkerungsteile treffen: mehr Lohndumping und Prekariat, weniger Medical Care. Die Polarisierung wird in den USA zunehmen (und auch nach Europa hinüberschwappen). Das politische Klima wird sich zunehmend verschlechtern und in einzelnen Städten wird diese explosive Mischung zu Strassenkriegen führen.
Dies wird mittelfristig die Konsequenz haben, dass Donald Trump entmachtet wird und sich dann auch Elon Musk unfreiwillig vom politischen Parkett zurückziehen wird. Die nächste Präsidentin oder der nächste Präsident muss dann aufräumen.
Und, liebe Lesende, landen Sie eher bei der Cyber-Utopie oder bei der Cyber-Dystopie?
«Die Wolke des Wissens», ein Zukunftsroman von Luca Zacchei
Luca Zacchei ist Autor und Mitarbeiter des RefLab. Gerade erschien sein Zukunftsroman «Die Wolke des Wissens» im Chiemsee Verlag. Darin spielt er die Frage durch, ob künstliche Intelligenz zu einer besseren Welt führt. Die globale KI in dem Buch heisst «Gnosis», die allwissende «Wolke» bietet stets die passende Lösdung für die Bildung von Gemeinschaften. Luca lotet den schmalen Grat aus, wo Optimierung in Manipulation und Ausbeutung kippt. «Vier Milliarden virutelle Nabelschnüre sind mit Gnosis verbunden, und niemand weiss, ob sie schützende Mutter oder vielmehr strenge Überwacherin ist.»
Foto von Brecht Corbeel auf Unsplash
2 Gedanken zu „Eine Cyber-Bromance“
Hey Luca
Danke für diese vier Szenarien! Sehr unterhaltsam, teils sogar lustig, was du dir alles ausgedacht hast.
Zur Leitfrage, was wir über diese Szenarien denken:
Bei Nr. 1 habe ich leichtes Spiel, zu finden, was dagegen spricht: Was das «Ministerium für Wahrheit» und «Ministerium für Effizienz» (eigentlich: Regierungseffizienz) gemeinsam haben, ist das Wort «Ministerium». Das zeigt mir, wie weit die menschliche Vorstellungskraft gehen kann, um Assoziationen auf Distanz zu finden.
Viel eher sollte es vom Namen und Funktion z. B. an das «Disinformation Governance Board» erinnern, das von April bis August 2022 unter der Biden-Administration als Beratungsorgan tätig war. Der Zweck: «combating misinformation, malinformation, and disinformation that threatens the security of the homeland.» DAS klingt für mich dystopisch.
Nicht zuletzt reden wir bei dieser Frage über Musk, Trump und die Republikaner, die sowohl für Meinungs- und Redefreiheit propagieren als auch (bis jetzt) danach handeln. Sie sind das Gegenteil des Typus, der hier in Frage käme. Im Moment verkörpern die Demokraten Zensur und Wortpolizei im Land. Viel näher an «Newspeak» aus 1984, nicht? Das kann sich natürlich auch wieder ändern.
Was den Rest der Szenarien angeht, bin ich wohl so gespannt wie du. Es kann durchaus sein, dass starke Alpha-Persönlichkeiten wie Musk und Trump einander in die Haare geraten und sich zerstreiten. Ich hoffe es nicht, jedoch ist das gut möglich. In diesem Fall hoffe ich auf einen gimpflichen «Scheidungsprozess» ohne viele Scherben.
Auch gibt es eine Gefahr bei den Drohungen von Importzöllen, welche Trump als Verhandlungsmittel benutzt. Wenn das nicht gutkommt, könnte es temporär zu Inflation und zunehmender Isolation führen. Ich habe hier Hoffnung, da die Zolltaktik letzte Trump-Amtszeit so gut funktioniert hat (auch rein als Verhandlung), dass die neue Administration viele neue Zölle stillschweigend beibehalten hat. Wenn es gut kommt, fördert es die Produktion von Gütern im Land. Bis dahin könnte es eine Schmerzensphase geben, die alle trifft, sofern die Verhandlungen eben nicht gut laufen.
Was darüber hinaus am wahrscheinlichsten ist, will ich mir nicht anmassen, einzuschätzen. Schliesslich kommt es (wie so oft bei Regierungen und sonstigen Machtkonzentrationen) leider darauf an, was sich chemisch in einer Handvoll Gehirnen abspielt. Deshalb hoffe ich, sie hören auch auf RFK jr. und essen zunehmend gesund 😉
Lieber Jan, also in “1984” gibt es auch ein »Ministerium für Liebe« 😉 Das sagt O’Brien (Parteimitglied): »Macht ist kein Mittel, sie ist ein Endzweck. Man etabliert keine Diktatur, um eine Revolution zu festigen; man macht eine Revolution, um eine Diktatur zu etablieren. Das Ziel von Verfolgung ist die Verfolgung. Das Ziel der Folter ist Folter. Das Ziel der Macht ist Macht.«