Kürzlich als Kinofilm und jetzt als Graphic Novel erschienen, geht „Freibad“ von Doris Dörrie (Zeichnungen Paulina Stulin) der Frage nach, wie kompliziert Feminismus geworden ist. Die Ausgangslage dafür ist jedoch keine theoretische Abhandlung, sondern das einzige, fiktive Frauenbad Deutschlands. Dort streiten zwei 68er-Feministinnen, eine Burkini-Schwimmerin, arabische Nikab-Trägerinnen, türkische Frauen, eine woke, mehrgewichtige Studentin und eine trans Frau darum, was feministisch ist und was nicht. Wie viel Verhüllung oder Enthüllung ist okay? Welche Rolle spielen Religion, Alter und Körperfett dabei? Und wann ist eine Frau überhaupt eine Frau?
Die Ansichten gehen wild auseinander
Die einen empfinden Körperfett als Zumutung, andere die Sexyness von Frauen über 50, türkische Muslimas schaudern ob der Verhüllungen arabischer Muslimas und die trans Frau hinter dem Grill lässt manche Christin aufbrausen, dass einzig Biologie das Geschlecht ausmacht.
Der Graphic Novel ist dabei eine willkommene Verlangsamung des Films: Werden in Bild und Ton manche Themen allzu schnell gestreift, lässt die gedruckte und gezeichnete Variante Zeit, um den Gedanken vertiefter nachzugehen. Ein Bonus ist, dass manche Szenen anders gescriptet sind als im Film.
Eine schillernde Komposition
Beides zusammen wird zu einer schillernden Komposition an Fragen, die Frauen von heute beschäftigen. Mit einem Augenzwinkern illustrieren Buch und Film, wie selektiv Feminismus manchmal gelebt wird und dass jede Person immer wieder dazuzulernen hat.
„Freibad“ ist einerseits eine humorvolle Liebeserklärung an den Sommer und an Frauenbäder (wer sie denn kennt und schätzt), andererseits aber auch eine Mahnung. Denn die Frauen im Freibad verlieren am meisten, wenn jede ihre Form von Feminismus zur einzig richtigen erklärt. Doch Feminismus, dafür wirbt Dörrie, wird gerade dann stark, wenn Frauen trotz Meinungsverschiedenheiten gemeinsame Sache machen.
Ein willkommenes und auch notwendiges Plädoyer, leidige Grabenkämpfe sein zu lassen und sich auf gemeinsame Anliegen zu fokussieren. Abtreibungsverbote in den USA, die Tötung von Frauen, wenn sie sich religiös vorgeschriebener Verhüllung verweigern, aber auch die aktuellen Abstimmungen in der Schweiz mahnen, dass Frauen weiterhin für ihre finanzielle und körperliche Freiheit einstehen müssen.
***Disclaimer*** Das Thema Kopftuch in diesem Vlog bezieht sich NICHT auf die aktuelle Situation und die Proteste in Iran. In diesem Kontext wird Frauen das Kopftuch von der religiös motivierten, politischen Herrscherschaft vorgeschrieben. Nichteinhaltung wird geahndet und sanktioniert bis hin zum Tod, wie am Beispiel von Mahsa „Jina“ Amini ersichtlich. In diesem Kontext ist es kein freiwilliger Entscheid, ein Kopftuch zu tragen. Frauen riskieren ihr Leben, wenn sie es nicht tun. Mit feministischer Eigenwahl hat das nichts zu tun. In diesem Video spreche ich vielmehr von einem Kontext wie Deutschland oder der Schweiz, wo ein Kopftuch freiwillig aufgrund eines persönlichen Entscheids getragen werden kann.
Und P.S., weil das sonst sicher wieder kommt: Iran steht nicht repräsentativ für den Islam.